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man eine Äebung des künstlerischen Niveaus in Landwerk und Technik. Auch auf
die Volks- und höheren Schulen blieb diese Bewegung nicht ohne — äußeren —
Einfluß. Auch hier wurde dem Zeichenunterrichte einige Aufmerksamkeit gewidmet.
Nun aber vollzog sich ein Akt, der der jungen Anterrichtsdisziplin nicht gering geschadet
hat: man lieferte den Zeichenunterricht der Erziehungsschule dem Techniker und dem
Kunstgewerbler aus. Sie waren ja die einzigen Leute, die zeichnen konnten, man
dürfte es wenigstens von ihnen annehmen. Daß sie der ihnen anvertrauten Aufgabe
nicht gewachsen waren, hat die Geschichte des Zeichenunterrichts schlagend bewiesen.
Noch heute steht dieser unter dem Fluch der gewerblich - technischen Periode. Llnd
alle Anstrengungen der Lehrer, die auf einen pädagogischen Zeichenunterricht drangen,
haben es noch nach 30 Zahren nicht ganz erreicht, daß an die Stelle der aus jener
Kindheitsperiode herrührenden gewerblichen Auffafsung von Zweck und Methode des
Zeichenunterrichts, die diesen aus dem Rahmen der allgemeinen Geistesbildung, zwar
ohne daß sie es wollte und bemerkte, hinausdrängte, die allein berechtigte pädagogisch-
künstlerische getreten ist.

Llm der einseitig gewerblichen Nichtung im Zeichenunterrichte einen Damm ent-
gegenzusetzen wurde 1874 der „Verein deutscher Zeichenlehrer" gegründet. Seine
Bestrebungen, die in den „Grundsätzen" ausgesprochen waren, deckten sich in der
Äauptsache mit den minifteriellen Bestimmungen für den Zeichenunterricht an den
höheren Schulen in Preußen, sahen sich aber bald in einem Gegensatz zu den Be-
stimmungen des Anterrichts an der Volksschule. Zn der ersten Neihe des Vereins
deutscher Zeickenlehrer standen zu allen Zeiten künstlerisch gebildete Männer. Sie haben
an dem ihnen anvertrauten Fache gearbeitet, um es zu einer vollwertigen Disziplin
heranzubilden.

Da kam über den Zeichenunterricht die Sturm- und Drangperiode. Wie auf
vielen anderen Gebieten drang auch in die Kreise der Schule der Laienruf: Zhr seid
auf falschem Wege! Es war eine unscheinbare, kleine Schrift, die die Reform-
bewegung im Zeichenunterricht in die Wege leitete, und deren Gedanken nach fast
zwanzig Zahren auch in weiteren Kreisen Verständnis und Würdigung sinden: Georg
Äirths „Zdeen über Zeichenunterricht und künstlerische Berufsbildung". Der Scharf-
blick dieses feinen Gelehrten und Kunstkenners in Dingen der Kunsterziehung im
weitesten Sinne, in der Erziehung des Volkes zu Kunstfreude und -verständnis, der
Kunstlehre und Bildung der künstlerischen Organe^ im Llnterricht, der Berufs-
schulen sowohl, als auch der allgemeinen Erziehungsschulen muß immer Bewunderung
erregen. Die „Zdeen" Äirths bedeuten den Grundstein der Reform auch des Schul-
zeichenunterrichts. Sie enthalten bereits das ganze Programm der ^lmgestaltung
dieses Faches. Lirth forderte, daß das Auge nur an der Natur gebildet werden
soll, und zwar an der lebendigen, und verwarf alles Zeichnen nach Gips und toten
Präparaten als Eselsbrücken; nur für die Geschmacksbildung ließ er das Studium
nach Abgüssen von realistischen Werken der Plastik zu. Zn seinem bald nach den
„Ideen" herausgegebenen großen Werke „Aufgaben zur Kunstphysiologie" hat Äirth
seine kunstpädagogischen Forderungen, insbesondere die Verurteilung des damals noch
allgemein üblichen Gipszeichnens, mit der Gründlichkeit eines deutschen Gelehrten
verfochten. Doch wer von den Züngern kennt die Arbeit Äirths?

Von Konrad Lange können wir nur behaupten, daß er agitatorisch für die
Neform des Zeichenunterrichts gewirkt hat. Sein in der „Künstlerischen Erziehung
der deutschen Zugend" vom Zahre 1893 entworfener Reformlehrplan für den Zeichen-
unterricht ist längst in der Praxis überholt und hat wohl niemals ein Necht darauf
 
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