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lasse die Kinder im Geiste der Arbeit des Steimnetzen oder des Bildhauers zu-
schauen. Wie mackt dieser es, wenn er einen Kopf aus dem Steinblocke heraus--
haut? Er beginnt nicht mit den Feinheiten der Augen, der Nase, des Mundes,
sondern schlägt zunächst soviel von der Masse hinweg, dast man ungefähr erkennen
kann, was entstehen soll, und wie grost das künftige Werk sein wird. Er weist zu-
nächst den einzelnen Partien ihren Naum an. Er arbeitet sich immer näher heran.
Aus grösterer Entfernung erkennen wir in dem Block den Kops eines Mannes;
gehen wir näher hinan, so erscheinen die Massen roh und sormlos. Darauf arbeitet
er die Figur soweit aus, dast der Veschauer auch schon aus grösterer Nähe einen
befriedigenden Eindruck bekommt. Vielleicht hält der Steinmetz mit seiner Arbeit
auf, denn der Kopf ist für einen Platz hoch oben an einem Gebäude bestimmt; man
wird ihn nur aus größerer Entfernung sehen und keinen Anstost daran nehmen, daß
ihm die feine Politur sehlt; im Gegenteil, die großen und scharfkantigen Massen
wirken auf die Ferne gut. Ist das Werk aber dazu bestimmt, daß man es in der
Nähe bewundern soll, so wird der Künstler noch mehr Feinheiten herausarbeiten.

In ähnlicher Weise arbeitet der Maler. Auch der Schriftsteller macht es nicht
anders, wenn er mit der Disposition seiner Gedanken beginnt, sich Klarheit über den
Aufbau seines Themas verschafft, bevor er an die endgiltige Niederschrift eines Auf-
satzes geht. Ganz so verfährt auch der Zeichner.

Die erste Entwickelungsstufe einer Amrißzeichnung ist die Disposition.

Abb. 5. Veranschaulichung des Blockierens.

In derselben wird die Naummasse des Objektes nach Form und relativer
Größe durch leichte, aber wohl erwogene gerade Linien, die sich zu einem Vieleck
zusammenschließen, sestgestellt. Man nennt diese Llmhüllungsfigur analog der roh
aus dem Steine herausgehauenen, nur die allerersten Grundformen des künftigen
Kunstwerkes enthaltenden Masse den „Block". Man „blockiert" die Form. Die
Blocklinien entstehen durch Verbindung der auffallendsten Austenpunkte, wenn solche
sich, wie bei dem Blatte, leicht erkennbar machen. Anderenfalls sind sie Tangenten
oder Sehnen wie die unteren Linien um das Blatt oder alle bei dem Apfel.

Die Kinder müssen vom Blockieren in der Zeichenstunde einen ebenso klaren
Begriff wie in der Deutschstunde von der Disposition bekommen. Anderenfalls werden
sie niemals eine, wenn auch noch so einfache Naturstudie anfertigen lernen. Es ift
deshalb durchaus notwendig, dast sie angehalten werden, hintereinander eine Reihe
von verschiedenen Gegenständen zu „blockieren".

Diese Äbungen sind viel weniger technischer als künstlerischer Natur, denn sie
lehren den Schüler den einfachsten Formhabitus eines Gegenstandes erkennen.
Derselbe ist sür die Charakteristik aber die wichtigste Grundlage. Zch erinnere daran,
dast man einen Baum schon aus ganz weiter Entfernung als Eiche, Linde, Tanne
lediglich aus der Form seiner geschlossenen Masse bestimmen kann.
 
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