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Grünhagen, Wilhelm
Der Schatzfund von Gross Bodungen — Römisch-Germanische Forschungen, Band 21: Berlin, 1954

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https://doi.org/10.11588/diglit.42491#0027
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II. Die reliefvemerten Silberfragmente

A. Die Kaiserplatte
Wie schon bei der Beschreibung der Fundstücke ausgeführt wurde, liefert den Schlüssel
zur Deutung der Szene auf den erhaltenen Fragmenten der runden Platte — (Fund-
beschreibung Nr. 3, Taf.2Ä) — der rangbezeichnende Luxus des Kostüms des Sitzenden,
ebenso die Edelsteinpracht des von ihm benutzten Sessels. Entsprechend der Bedeut-
samkeit der Person des Herrschers, als bildhaftes Ausdrucksmittel für die Überordnung
des Dominus ist seine zentral angeordnete Figur erheblich größer als die der erhaltenen
Nebenfigur1). Er thront nicht wie ein Mensch, sondern wie eine über Menschenmaß
erhobene Kultstatue in der Cella eines Tempels2). Die Entwicklung der stetig zuneh-
menden Hervorhebung des Kaisers vor seiner Umgebung durch Vergrößerung, die in der
griechischen Antike nur Göttern und Heroen zustand, läßt sich, parallel laufend mit der
Wandlung des Herrscherbegriffes vom Princeps zum Dominus, in den historischen Reliefs
der römischen Kaiserzeit aufzeigen vom 1. Jahrh. n. Chr. an bis zum spätantiken Re-
präsentationsbild. Zu diesem gehört neben der Vergrößerung vor allem die Frontalstellung
und das Herauswenden des Blickes der Hauptfigur einer Szene aus dem Bildraum, wie es,
abgesehen von vereinzelten Vorstufen, einige Abschnitte der Marcus-Säule in Rom erst-
malig in aller Deutlichkeit zeigen3). Wir gehen also sicher nicht fehl in der Annahme, daß
der nicht erhaltene Kopf des Kaisers auf unserer Platte, bei deren Darstellung es sich
zweifelsohne um ein Repräsentationsbild handelt, gleichfalls streng frontal auf den Be-
schauer gerichtet war, ihn anblickend und gleichsam in den nach vorn erweiterten Bild-
raum einbeziehend und zur Verehrung auf fordernd. So hob sich die Majestät aus dem
hier wiedergegeben gewesenen Geschehen heraus und wirkte gewissermaßen symbolhaft.
Ob freilich der Kaiser in Ausübung irgendeiner Tätigkeit oder Amtshandlung darge-
stellt war, wissen wir nicht und können auch nur Vermutungen darüber anstellen. Der
Möglichkeiten für seine Ergänzung gibt es jedenfalls mehrere. Etwa, daß er die Rechte im
Redegestus erhoben hatte und mit der Linken einen Globus gefaßt hielt. Ebensogut
könnten die Hände aber auch ein Szepter und einen Codicillus gehalten haben. Auf die

x) Siehe S. 11 Anm. 1 betr. eines thronenden „Paares“.
2) Literarische Parallele: Der Vergleich des Theodosius mit den alten Göttern zu deren Ungunsten durch den Pane-
gyriker Pacatus Drepanius, der Theodosius als Gott feiert „quem videmus“. Panegyrici Lat. II (XII) Kap. 4. ed. Baehrens,
Teubner 1911, S. 93.
3) Als frühe Beispiele der Hervorhebung des Kaisers durch gesteigerte Größe gegenüber seiner unmittelbaren Um-
gebung vgl. F. Magi, Relievi Flavi del Palazzo della Cancelleria (1945) Taf. 1. C. Pietrangeli, L’Arco di Trajano a Bene-
vento (1947) Taf. 13ff. 19. Frontalstellung des Kaisers an der Marcussäule: Jahrb. d. Arch. Inst. 46, 1931, 127 Abb. 26.
Zur Bedeutung des Größenunterschiedes in der bildlichen Darstellung: H. Lietzmann, Sitz. Ber. Akad. Berlin 1927, 356.
G. Rodenwaldt, Jahrh. d. Arch. Inst. 55, 1940, 34ff. Zusammenfassend über diese Fragen zuletzt I/Orange- von Gerkan,
Der spätantike Bildschmuck des Konstantinsbogens. Studien zur spätantiken Kunstgeschichte 10 (1939) 200ff. Zur
scheinbar die Regel durchbrechenden Isokephalie Justinians mit Maximian und seiner Begleitung auf dem Kaisermosaik
in San Vitale in Ravenna siehe Rodenwaldt, Jahrb. d. Arch. Inst. 59/60, 1944/45, 101. Theodora auf dem Gegenstück
ist durch Größe und betont zentrale Stellung vor ihren Hofdamen und Eunuchen ausgezeichnet.

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