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Grünhagen, Wilhelm
Der Schatzfund von Gross Bodungen — Römisch-Germanische Forschungen, Band 21: Berlin, 1954

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https://doi.org/10.11588/diglit.42491#0083
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IV. Besitzer und Vergrabungszeit
Einige weitere, bisher unerörterte Fragen harren noch der Beantwortung. Zunächst,
wie ist der Schatz an seinen Fundort gelangt, und wessen Eigentum mag er zuletzt ge-
wesen sein, bevor er dem schützenden Boden anvertraut wurde ? Besteht etwa die Mög-
lichkeit, in ihm die Beute eines Kriegers zu sehen, der bald nach 400 n. Chr. an dem
bekannten Einbruch germanischer Stämme nach Gallien beteiligt war, nachdem Stilicho
hier alle Legionen für den Einsatz gegen Alarich abgezogen hatte ? Zur Beurteilung des
Problems muß man sich folgendes vergegenwärtigen: der Fundort liegt im Gebiete des
Reiches der Thüringer1), das erst in der Völkerwanderungszeit in Mitteldeutschland ent-
stand. Es erscheint doch sehr fraglich, ob thüringische Stammeskontingente, ähnlich wie
die mitteldeutschen „Räuber“ in Gallien in den Jahren zwischen 260 und 2752), an den
genannten Unternehmungen beteiligt waren, wenn man es freilich auch vermutet und
sogar Gründung und Namen der spanischen Stadt Durango in der Nähe von Bilbao mit
hermundurisch-thüringischen Scharen in Verbindung gebracht hat, die 409 n. Chr. den
Einfall der Vandalen und Alanen in Spanien mitgemacht haben sollen3). Im großen und
ganzen blieben die Thüringer in dieser Zeit jedoch offenbar ihren mitteldeutschen Wohn-
sitzen treu. Wir hören lediglich von gelegentlichen Beutezügen in das Gebiet der Donau-
grenze des Imperiums im späteren 5. Jahrhundert n. Chr., die u. a. auch Passau beun-
ruhigten4). Aus Raetien rührt aber der Schatz schwerlich her, abgesehen davon, daß,
wie noch zu zeigen sein wird, seine Vergrabungszeit nicht erst in der zweiten Hälfte des
5. Jahrhunderts oder noch später liegen kann.
So bliebe weiter zu erwägen, ob mit der anderen naheliegenden Möglichkeit hier ge-
rechnet werden darf, daß der Fund auf dem Handelswege hereingekommen ist. Die Mög-
lichkeit als solche muß wohl grundsätzlich bejaht werden, sie hat aber angesichts des
Fehlens sonstiger Zeugnisse für einen intensiven Handel zwischen den Bewohnern des
bisher fundarmen Gebietes um Groß Bodungen und den römischen Provinzen nicht
gerade sehr viel Wahrscheinlichkeit für sich. Ebensowenig kann an einen Zusammenhang
mit Tributzahlungen gedacht werden. Die Thüringer gehörten in der Zeit um 400 noch
nicht zu den mächtigen und zu den für die Römer gefährlichen germanischen Völkern
und dürften auch keine Tribute von ihnen erhalten haben. Dagegen spricht allein schon
die Spärlichkeit von sonstigen Münzvorkommen in diesem Bereiche5). Ebenso fällt die
dynastische Verknüpfung zwischen dem thüringischen Königshaus und der römischen
Kaiserfamilie erst in einen späteren Zeitraum.
Aber könnte schließlich nicht in dem Schatz der angesammelte Besitz eines nach Be
endigung seiner Dienstzeit im römischen Heere in seine Heimat zurückgekehrten Ger-
x) L. Schmidt, Geschichte der deutschen Stämme 2 (1911) 330ff.
2) Vgl. J. Werner in „Marburger Studien“ (1938) 259ff.
3) Chr. Obermüller, Die Deutschen Stämme (1941) 264.
4) Eugippius, Vita Severini 27, 31. L. Schmidt, Gesch. d. deutschen Stämme a. a. O. W. Schulz, Ipek 1928, 58.
6) Einzelner Solidus des Honorius in einem Grabfunde von Kostitz, Kr. Saalfeld. Jahresschr. f. d. Vorgesch. d.
Sächs.-thür. Länder 10, 1911, 71ff. Taf. 9, 11.

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