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VORWORT

Die Auseinandersetzung mit den theoretischen Grundlagen gehört seit
jeher in besonderem Maße zur Architektur. Seit der Mitte des 15. Jahrhun-
derts traten Baumeister aus ihrer Rolle als Handwerker heraus, um litera-
risch tätig zu werden und die Regeln ihrer Kunst schriftlich niederzulegen.
Der Prozeß begann in Italien. Er war dort eng verbunden mit der Erneue-
rung von Kunst und Literatur im Geist der Antike. Er gehört zu den cha-
rakteristischen Phänomenen der Renaissance. Das italienische Schrifttum
zur Architektur aus dem 15. bis 16. Jahrhundert berücksichtigt die gotische
Tradition höchstens am Rande und dann gewöhnlich nur, um sie als fehl-
geleitet zu brandmarken.
Die Länder, in denen die Gotik die längste Tradition hat, Frankreich und
England, brachten erst im fortgeschrittenen 16. Jahrhundert eigene archi-
tekturtheoretische Schriften hervor. In Deutschland setzte diese Entwick-
lung bereits um 1480 ein. Allerdings waren die Protagonisten keine Neue-
rer wie in Italien. Sie stammten aus der gotischen Tradition und legten die
überlieferten Normen ihres Faches dar. Bis ins 18. Jahrhundert lebten
gotische Bauregeln in Deutschland fort. Seit dem späten 15. Jahrhundert
drangen die neuen italienischen Bauformen über die Alpen. Zunächst er-
reichten sie nur vereinzelt den süddeutschen Raum. Seit der Mitte des
16. Jahrhunderts setzten sie sich zunehmend durch. Dürer nahm das huma-
nistische Gedankengut in seinen Schriften zur Kunst auf. Aber er illu-
strierte auch noch spätgotische Bauglieder. Im Zeitraum von ca. 1530 bis
1545 entstanden zahlreiche Druckgraphiken, die die neuen Architekturformen
der italienischen Renaissance demonstrieren und teilweise auch erklären.
Es folgten die ersten deutschen Übersetzungen italienischer Architektur-
schriften und von Vitruvs Traktat. Mit der Säulenlehre des Hans Blum und
der Festungslehre des Daniel Specklin wurde der Anschluß an Italien
erreicht. In der Früh- und Lehrzeit der Rezeption wurde das italienische
Formengut mit der angestammten Klassizität behandelt. Dann lockerten
sich die Fesseln der Bindung an Italien; frei erfundener Dekor überwu-
cherte das Regelmaß. Wendel Dietterlin gab dem deutschen Manierismus
sein architektonisches Lehrbuch.
Über Länder, Zeiten und Stile hinweg bildete die Architekturtheorie
besondere Schwerpunkte aus. Sie konzentrierte sich vor allem auf zwei
weit auseinanderliegende Gebiete: auf die Lehre von den Säulenordnungen
bzw. in der Spätgotik von Fiale und Wimperg und auf den Wehrbau bzw. die
 
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