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I. BAUMEISTER DER GOTIK

Bedeutende mittelalterliche Baumeister waren international gesuchte
und tätige Kapazitäten. Ein Bauherr stellte, um sich zu repräsentieren, an
das lokale Bauvorhaben überregionale Ansprüche. Um diesen gerecht zu
werden, bedurfte es eines hochqualifizierten und weitgereisten Spezia-
listen als Baumeister. Sein Wissen und Können hob den erfahrenen Bau-
meister aus den normalen sozialen Bindungen heraus, unterstellte ihn als
gesucht und unentbehrlich nach dem Gesetz der Nachfrage besonderen
Normen. Nach seinen individuellen Fähigkeiten wurde er in die vorgege-
bene soziale Rangordnung eingestuft. Er wurde vertragsfähig. Im Vertrag
wurden ihm neben Pflichten auch weitgehende Rechte verbrieft, die seine
hohe soziale Stellung legalisierten. Das Aufgabenfeld des Baumeisters
umfaßte neben Kirchenbau (im Spätmittelalter meist An- und Umbauten)
auch Wehr-, Wasser- und Brückenbau.
Die Regel im mittelalterlichen Baubetrieb war die Scheidung zwischen
Bauausführung und Bauverwaltung. Neben gelegentlichem direktem Ein-
fluß auf den Bau, durch den der Bauherr dann bewußt einzelne Bauteile zu
Bedeutungsträgern erhob, lag insbesondere die Bauverwaltung in seinen
Händen. Er beschaffte Material und Personal und organisierte den
Arbeitsprozeß. Seit dem 11. Jahrhundert traten jedoch immer stärker
Gruppen hervor, die dem Bauherrn betriebliche Aufgaben abnahmen. Für
die technische Durchführung des Projekts war der Baumeister verantwort-
lich.
Für die Bauausführung bedurfte es meist auswärtiger Spezialtrupps.
Doch selbst ihre bautechnischen Fähigkeiten waren oft vom überregiona-
len Anspruchsniveau überfordert. So gehörten Bauunfälle zum Alltag des
Baugeschehens.
Am Bauplatz wurden vom Baumeister als erstes die Bauausmaße mit
Visierscheiben und Fluchtstäben vermessen und mittels Richtscheit, Meß-
schnur und Schnurzirkel in einem Schnurgerüst festgehalten. Der Aushub
wurde dann meistens von „Rotten“ besorgt, wobei entweder, wie beson-
ders klar Reinhard zu Solms dargelegt hat (Booz, 87), Tagelohn (auf
„Kerbhölzern“ vermerkt) oder Akkordlohn („Verdingwerk“) bezahlt
wurde. Die anschließende Fundamentierung blieb trotz Entwicklung meh-
rerer Ausführungsmodelle der schwächste Punkt gotischer Baukonstruk-
tion. Viele Einstürze von Türmen und anderen Bauteilen lassen sich auf
mangelhafte Fundamente zurückführen. Für den Antransport der Baustoffe
 
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