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Verlag Fritz Gurlitt (Berlin) [Mitarb.]
Almanach auf das Jahr ... — 1919

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Damit ich nun also denen Befehlen meines Herrn nach leben
möchte, so erzehlete ich ihm die merckwürdigen Begebenheiten,
welche unter dem Nahmen der Revolution bekannt sind, den langen
Krieg, welcher sich damahls unter dem Printzen von Oranien wider
Franckreich angesponnen, und durch die ietzige Königin wieder an-
gefangen worden, darein fast alle Potentaten von Europa verwickelt
worden. Ich rechnete auf sein Ansuchen aus, daß unter währenden
diesen Krieg eine Million Yahoos getödtet, mehr als hundert Städte
erobert, und dreymahl so viel Schiffe zu Grunde gebohret worden.
Hierauf fragte er mich, was denn insgemein vor Ursachen wären,
warum ein Land mit einem andern sich in Krieg einliesse? Ich
antwortete ihm, solcher Ursachen wären unzehlig viel, ich wolte ihm
aber die hauptsächlichsten nach einander her erzehlen. Jezuweilen
wäre der Ehrgeitz derer Printzen daran Ursache, welche sich jeder-
zeit einbilden, niemahls Land noch Leute genung unter ihrer Both-
mäßigkeit zu haben. Dann und wann verursachte ihn ein verderbtes
Ministerium, das seinen Herrn zu einem Kriege verleitet, sich dadurch
unentbehrlich zu machen, oder so viel dadurch auszurichten, daß ihre
böse Aufführung nicht verrathen, noch deswegen zu scharffen Mitteln
gegriffen werde. Die Wiedrigkeit derer Meinungen hätte vielen
Millionen das Leben gekostet: Zum Exempel, ob Heisch Brodt sey,
oder Brodt Fleisch; ob der Safft von einer gewissen Frucht Blut oder
Wein; ob man eine Säule küssen, oder sie ins Feuer werffen solle;
welches die beste Farbe zu einem Kleide, ob die Schwartze, die
Weisse, die Rothe oder die Graue; und ob dasselbe Kleid solle lang
oder kurtz, enge oder weit, garstig oder sauber seyn? und was der-
gleichen Aufgaben mehr. Niemahls wären die Kriege grausamer und
blutiger, oder währeten längere Zeit, als wenn sie von wegen unter-
schiedener Meynungen entstünden, insonderheit wenn es auf einen
Unterschied in Mittel-Dingen ankäme.
Jezuweilen zancken sich zwey Printzen unter einander, um zu
 
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