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FEUERBACHS LANDSCHAFTEN
steht ewig in meinem Gedächtnis. Wir wurden um sechs Uhr morgens,
wie es hier Sitte ist, in die Kapelle zur Messe gerufen, dann stiegen
wir herauf und setzten uns in den sonnigen Vorsaal. Rechts stand die
große Tür offen, und wir sahen in den alten Burghof aus dem fünf-
zehnten Jahrhundert; auf einer Eisenstange unter den Bogen saß ein
Schwälbchen, das sang mit ganzer Inbrunst. Vor uns ging der
Kapuziner in brauner Gewandung langsam auf und ab und las im
Brevier, durch die offenen Fenster blitzte der See im hellen Sonnen-
schein auf, und die Berge standen in zitterndem Dufte. — Wer da
nicht gesund wird, der bleibt ein kranker Mann sein ganzes Leben.
Unser Leben ist ganz Natur, frühmorgens fahre ich über den See und
bin den ganzen Tag draußen und male nach der Natur; vier große
Studien habe ich bereits vollendet. ... So fahre ich nun fort und
fühle mich mit wachsender Sicherheit im Landschaftern unbeschreib-
lich glücklich.“
Solche begeisterte Worte hören wir nur selten im Umkreis dieses
entsagungsvollen Lebens. Und darum umwittert ihr verheißungsvoller
Zauber auch die Werke, welche in der Umgebung .des weinberühmten
Schlosses entstanden. Bisher ist es nicht gelungen, die seltsamen, wie
zu einer Naturbühne zusammenrückenden Berggestalten wiederzu-
finden, deren wildes Geklüft sich riesengroß aufrichtet hinter zwergen-
haften zur Tränke getriebenen Ochsengespannen. Schon der froh aus
der Graulichkeit des Nordens der Freiheit entgegenreisende Goethe
hat diese „schönste Kalkfelsen zu malerischen Studien“ gerühmt. Von
eilfertig herabstürzenden Gewässern umschäumt, deren Fluten von
kühnen Brückenbogen überspannt werden, sind diese schroff geneigten,
allem Lebendigen abholden Gesteinsquadem nur von dürftigem
Pflanzen wuchs umsäumt, bilden Wände, kahl, schattenlos, drohend,
Behälter, ja Spiegel von Sommerglut und Sonnenbrand, oder
stehen da dem Graubraun der Wolkenschichten über ihnen in dumpfem
Gehorsam untertänig — ihrer Einsamkeiten tiefste erschauend hob
FEUERBACHS LANDSCHAFTEN
steht ewig in meinem Gedächtnis. Wir wurden um sechs Uhr morgens,
wie es hier Sitte ist, in die Kapelle zur Messe gerufen, dann stiegen
wir herauf und setzten uns in den sonnigen Vorsaal. Rechts stand die
große Tür offen, und wir sahen in den alten Burghof aus dem fünf-
zehnten Jahrhundert; auf einer Eisenstange unter den Bogen saß ein
Schwälbchen, das sang mit ganzer Inbrunst. Vor uns ging der
Kapuziner in brauner Gewandung langsam auf und ab und las im
Brevier, durch die offenen Fenster blitzte der See im hellen Sonnen-
schein auf, und die Berge standen in zitterndem Dufte. — Wer da
nicht gesund wird, der bleibt ein kranker Mann sein ganzes Leben.
Unser Leben ist ganz Natur, frühmorgens fahre ich über den See und
bin den ganzen Tag draußen und male nach der Natur; vier große
Studien habe ich bereits vollendet. ... So fahre ich nun fort und
fühle mich mit wachsender Sicherheit im Landschaftern unbeschreib-
lich glücklich.“
Solche begeisterte Worte hören wir nur selten im Umkreis dieses
entsagungsvollen Lebens. Und darum umwittert ihr verheißungsvoller
Zauber auch die Werke, welche in der Umgebung .des weinberühmten
Schlosses entstanden. Bisher ist es nicht gelungen, die seltsamen, wie
zu einer Naturbühne zusammenrückenden Berggestalten wiederzu-
finden, deren wildes Geklüft sich riesengroß aufrichtet hinter zwergen-
haften zur Tränke getriebenen Ochsengespannen. Schon der froh aus
der Graulichkeit des Nordens der Freiheit entgegenreisende Goethe
hat diese „schönste Kalkfelsen zu malerischen Studien“ gerühmt. Von
eilfertig herabstürzenden Gewässern umschäumt, deren Fluten von
kühnen Brückenbogen überspannt werden, sind diese schroff geneigten,
allem Lebendigen abholden Gesteinsquadem nur von dürftigem
Pflanzen wuchs umsäumt, bilden Wände, kahl, schattenlos, drohend,
Behälter, ja Spiegel von Sommerglut und Sonnenbrand, oder
stehen da dem Graubraun der Wolkenschichten über ihnen in dumpfem
Gehorsam untertänig — ihrer Einsamkeiten tiefste erschauend hob