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JANTHURS GRAPHIK
Gleich Chagall ist Janthur zu einer geheimnisvollen Meta-
physik der Farbe gelangt. Wie er sie in der Graphik anwendet,
bringt sie stets die höchste Steigerung der Empfindung; ist der
höchste Vollklang, das leiseste Zittern der Seele: ein liebendes
Blau der Harmonie, ein fiebriges Rosa, ein jauchzendes Gelb der
Erwartung und ein volles paradiesisches Prangen polychromer Voll-
kommenheit als Vollendung des Daseins, verklärt von dem goldenen
Lächeln Buddhas.
Es gibt bisher kaum „Illustrationen" in diesem Sinne. Alle
diese Zyklen sind vollkommen aus der Perspektive der seelischen
Situation heraus gedacht und empfunden. Diese Robinsonade ist
eine bildliche Erzählung eindringlichster Art. Der Schöpfer war
im Geiste tatsächlich mit Robinson, Wozzek, Gulliver, Schlemihl
und dem Gott des Gilgamesch eins. All diese Verwunderungen,
Erstaunungen, Träume, Erwartungen, Erfüllungen, Halluzinationen,
alle Freude, Furcht und Beglücktheit waren wahrhaft in seiner
Seele, wie dämonische Gewalten ihn zum Seher und Verkünder
seelischer Ereignisse machend. Also wähne man doch nicht, daß
es bei den äußeren Anlässen dieser Werke wie bei den üblichen
Illustrationen sein Bewenden habe. Wie Dürer die Passion wirklich
durchlitten und die äußeren Ereignisse als Kreuzigung, Geißelung
zur Darstellung des seelischen Vorfalls benutzt hat, so dient Janthur
der geschichtliche Hergang dazu, in bildlicher Abfolge ein seelisches
Geschehen sichtbar zu verselbständigen.
Vor diesen — nicht natürlichen, aber — naturhaften Werken
wird die Nichtigkeit alles Ästhetisierten und Formelhaften, nach
dem man heute, die moderne Kunst mißverstehend, immer fragt,
offenbar. Sie stehen völlig außer der Zeit und ihrer artistischer
Problematik; sie tun eine Region auf, die bisher verschlossen ge-
wesen ist, lassen etwas erkennen, was noch keinen Namen trägt,
nämlich das geheimnisvolle Weltwesen der Dinge, nach dem sich
JANTHURS GRAPHIK
Gleich Chagall ist Janthur zu einer geheimnisvollen Meta-
physik der Farbe gelangt. Wie er sie in der Graphik anwendet,
bringt sie stets die höchste Steigerung der Empfindung; ist der
höchste Vollklang, das leiseste Zittern der Seele: ein liebendes
Blau der Harmonie, ein fiebriges Rosa, ein jauchzendes Gelb der
Erwartung und ein volles paradiesisches Prangen polychromer Voll-
kommenheit als Vollendung des Daseins, verklärt von dem goldenen
Lächeln Buddhas.
Es gibt bisher kaum „Illustrationen" in diesem Sinne. Alle
diese Zyklen sind vollkommen aus der Perspektive der seelischen
Situation heraus gedacht und empfunden. Diese Robinsonade ist
eine bildliche Erzählung eindringlichster Art. Der Schöpfer war
im Geiste tatsächlich mit Robinson, Wozzek, Gulliver, Schlemihl
und dem Gott des Gilgamesch eins. All diese Verwunderungen,
Erstaunungen, Träume, Erwartungen, Erfüllungen, Halluzinationen,
alle Freude, Furcht und Beglücktheit waren wahrhaft in seiner
Seele, wie dämonische Gewalten ihn zum Seher und Verkünder
seelischer Ereignisse machend. Also wähne man doch nicht, daß
es bei den äußeren Anlässen dieser Werke wie bei den üblichen
Illustrationen sein Bewenden habe. Wie Dürer die Passion wirklich
durchlitten und die äußeren Ereignisse als Kreuzigung, Geißelung
zur Darstellung des seelischen Vorfalls benutzt hat, so dient Janthur
der geschichtliche Hergang dazu, in bildlicher Abfolge ein seelisches
Geschehen sichtbar zu verselbständigen.
Vor diesen — nicht natürlichen, aber — naturhaften Werken
wird die Nichtigkeit alles Ästhetisierten und Formelhaften, nach
dem man heute, die moderne Kunst mißverstehend, immer fragt,
offenbar. Sie stehen völlig außer der Zeit und ihrer artistischer
Problematik; sie tun eine Region auf, die bisher verschlossen ge-
wesen ist, lassen etwas erkennen, was noch keinen Namen trägt,
nämlich das geheimnisvolle Weltwesen der Dinge, nach dem sich