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Maillol, Aristide; Hackelsberger, Berthold
La Méditerranée — Werkmonographien zur bildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek, Band 56: Stuttgart: Reclam-Verl., 1960

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https://doi.org/10.11588/diglit.72982#0006
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scheint fest gespannt, wirkt aber nicht hart. Durch die
plastische Form ist das Material in lebendig wirkende
Substanz verwandelt. Beim Umgehen der Plastik erge-
ben sich von mehreren Seiten Überschneidungen, die die
Körperlichkeit der Figur mächtig spürbar werden lassen.
Eine eigentliche Hauptansicht hat diese Plastik nicht.
Von jedem Blickpunkt aus bietet sie einen klaren, in gro-
ßen Rhythmen bewegten Umriß, der ihre Gestalt im
Raum festigt und sie in ein komplementäres Verhältnis
zu ihm setzt. Dieser bewußten Gestaltung und Führung
der Umrisse entspricht auch die Bestimmtheit, mit der
die einzelnen Öffnungen zwischen den plastischen Volu-
men des Rumpfes und der Glieder, etwa zwischen lin-
kem Ober- und Unterschenkel,geformt und dimensioniert
sind. Diese Öffnungen lassen ein Spiel zwischen Innen
und Außen entstehen und machen den umgebenden Raum
in einer beinahe substantiellen Weise spürbar. Er dringt
in den Komplex der Volumen ein, umfließt sie und
haftet an ihnen. Mittels der Formen und ihrer Stellung
zueinander ist hier Raum erzeugt, wobei durch die
sichere Bemessung ein vollkommenes Gleichgewicht
zwischen den plastischen Volumen und dem sie um-
gebenden Raum erreicht ist. Zu schwach dimensionierte
plastische Glieder würden vom Raum aufgezehrt, wäh-
rend zu massige und geschlossene Volumen ihn ab-
stießen.
Die Figur erscheint erheblich überlebensgroß. Dieser
Eindruck resultiert einmal aus der Ballung der plasti-
schen Massen und ihrer fast architektonischen Gliede-
rung, zum anderen aus der Wirkung des Materials, zum
geringsten Teil aus den tatsächlichen Abmessungen, die
über die normalen menschlichen Maße hinausgehen. Die
Größe der Figur wirkt selbstverständlich, sie wird we-
der erzählerisch motiviert noch läßt sie jene auf bloßer
Quantität beruhende absichtsvolle Monumentalität spü-
ren, der wir gerade in der Plastik um die Jahrhundert-
wende so häufig begegnen. Ihre Größe wird zunächst
bei unkritischer Betrachtung auch kaum wahrgenommen,
da sie so vollkommen im Einklang mit dem inneren
Maß der Gestalt steht.

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