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Hahn, Hanno; Hahn, Hanno
Die frühe Kirchenbaukunst der Zisterzienser: Untersuchungen zur Baugeschichte von Kloster Eberbach im Rheingau und ihren europäischen Analogien im 12. Jahrhundert — Frankfurter Forschungen zur Architekturgeschichte, Band 1: Berlin: Mann, 1957

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https://doi.org/10.11588/diglit.65309#0200
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vor der südlichen Querschiffwand sind erhalten, restauriert und mit modernen Abmaue-
rungen zu einer benutzbaren Raumgruppe umgestaltet. Ergänzt man den Kreuzarm im
Norden entsprechend dem vorhandenen im Süden, so entsteht eine plangerechte bern-
hardinische Choranlage, deren Wölbsystem ebenso wie in S. M. di Paulis auf Clairvaux-
Fontenay zurückgeführt werden muß, auch wenn die Tonnen beider Kirchen nicht spitz-,
sondern rundbogig gebildet wurden. Das Langhaus von S.M. del Corte ist verschwunden,
sein Quadermaterial nach Spano (zit. Anm. 538, S. 46) bei Neubauten der nahen Ortschaft
wiederverwendet. Die Planrekonstruktion des Langhauses durch Delogu ist Vermutung.
Die Annahme ungegliederter, stark längsrechteckiger Pfeiler erscheint unglaubwürdig,
worauf schon H. M. Schwarz (zit. Anm. 535) hinwies. Rekonstruiert man eine Folge von
sieben Arkadenpaaren nach dem Vorbild des jüngeren, aber besser erhaltenen S. M. di
Paulis, wie es offenbar auch Delogu tat, aber wie dort mit quadratischen Pfeilern, so
würde die westliche Erstreckung des Langhauses die gleichen Grundrißproportionen wie
die der Zisterzienser-Kirche bei Ittiri und damit praktisch die gleichen wie Fontenay auf-
weisen (kleiner Typ, vgl. Taf. II, 3), nach Delogus Rekonstruktion ist sie der Bauten-
gruppe Citeaux-Eberbach einzugliedern (mittlerer Typ, vgl. Taf. 11,2).
Ebenso wie in Oberitalien zeichnet sich bei einer systematischen Untersuchung der
erhaltenen oder ruinösen Denkmäler in Mittelitalien sowie auf Sardinien deutlich eine
Frühphase der^zisterziensischen Kirchenbaukunst ab, die die im Mutterland des Ordens
unter Bernhard von Clairvaux festgelegten Richtlinien aufs strengste befolgte, und aber-
mals sind daher die reinsten Vertreter der reformatorischen Baugesinnung Bernhards
direkte Gründungen von Clairvaux.
Da die meisten Ordensniederlassungen im Süden Italiens und auf Sizilien erst Ende
des 12. oder im 13. Jahrhundert entstanden, trifft diese Feststellung dort nur auf zwei
ehemalige Zisterzienser-Kirchen zu.

UNTERITALIEN UND SIZILIEN
Die Kirchen des ältesten Zisterzienser-Klosters von Süditalien, S. Maria di Sambucina
in Kalabrien (Sambucina, 1140/41 direkt von Clairvaux gegr.)539, ist als teilweise wieder
ausgebaute Ruine sehr entstellt erhalten. Das stark querrechteckige, mit einer Spitz-
tonne gewölbte Presbyterium und die Ansätze von Querschiff und Langhaus einer einst
prinzipiell zisterziensischen, aber stark in die Breite gezogenen Choranlage erlauben je-
doch, sie der Kirche SS. Vincenzo ed Anastasio von Tre Fontane sowie den eben beschrie-
benen sardischen Kirchen entwicklungsgeschichtlich direkt an die Seite zu stellen.
Die ältesten Bauteile der Ruine, das Presbyterium mit den wie in den Vorjochen der
Nebenapsiden in Falleri (s. o.) nicht abgesetzten Tonnengewölben, dem einfachen, einst
in die nördliche Querschiffkapelle führenden spitzbogigen Portal, den drei Fenstern der
Ostwand (Abb. 172) sowie die z. T. frontal leicht abgestuften, spätromanischen Spitz-

539 Nach Janauschek, S. 143, 295 u. 311 bzw. Manrique erfolgte die Gründung 1160 von Casa-
mari, dem Sambucina aber erst 1192 unterstellt wurde. 1145 erhielt die Abtei bereits ein
Privileg von König Roger II. von Sizilien; vgl. Marchese, La Badia di Sambucina, Lecce
1932, S. 37ff. (vgl. Anm. 526; »Marchese« zit.); nicht bei Dimier; Guida, Lucania e Calabria
(1938), S. 212.
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