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Happel, Eberhard Werner; Wiering, Thomas von [Bearb.]; Härtel, Zacharias [Bearb.]
E.G. Happelii Gröste Denkwürdigkeiten der Welt Oder so genannte Relationes Curiosæ (Der fünfte Theil): Worinne fürgestellet und angeführet werden Die Merckwürdigste Historien und Geschichte Der vorigen und jetzigen Zeiten/ welche sich auff diesem grossen Schau-Platze der Welt zugetragen: Dabey auch die sehr blutige und merckwürdige Auffzüge der vorigen eiferigen Christen nach dem Hl. oder gelobten Lande/ in sieben wunderseltzamen Creutz-Fahrten abgehandelt sind: Allen und jeden curieusen Liebhabern zur Lust/ Lehre und Nachricht in Druck verfertiget/ und mit schönen Kupffern und Contersaiten durchgehends gezieret — Hamburg: Gedruckt und verlegt durch Thomas von Wiering, 1691 [VD17 12:109624Z]

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https://doi.org/10.11588/diglit.67343#0039
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Der keusche Frantzösifche König.

He wir^ von der rühmlichen Keuschheit
dieses KönigsMen/ wollen wir den klei-
nen Rest der vorigen Geschichte vollends kürz-
lich anführen. Da folte man wohl gefürchtet
haben / der züchtige Jüngling hette an besagtem
Felsen seine Marter-Stelle und den gewissen
Todt angetroffen : nichts desioweniger hat
GOtt/ als ein Liebhaber der reinen Keuschheit/
wunderbarlich denselben erhalten/also daß ihm
seine tödlicheVerschleuderung nichts geschadet.
Aber dieses war eben so wohl ein Wunder / daß
der grausame König hingegen ein Felsen-Hartes
Gemüth spühren ließ / ja/sich gegen den jungen
Menschen grausamer und umbarmhertzger er-
wiest/ als die wilde Felsen und rauhe Hügel sel-
ber. Dann er ließ ihm mit Zangen ein Glied
nach dem andern abnehmen / und also den zer-
siümpelten Leib in denSLrohm werffen/woraus
hernach die Christen denselben wieder herfür ge-
zogen / und für ein Heiligthum gehalten / auch
Len Nahmen dieses keuschen Jünglings unter
die Heiligen gesetzet haben : Gleich wie aber
Hbäcramenes zu verfluchen / also verdienet eine
desto würdiger Stelle der keusche König. Dann
in diesem Fall hat der König von Franckreich/
e^rolus vm. seine außgeriffene Liebes-Begier-
hen gleichwohl besser am Zaum gebracht / als sie
einer schonen Jungfrauen Keuschheit bestreiten
wollen. Auff seiner Wiederkehr aus dem Kö-
nigreich Neapolis, welches er wichtiger bekrieg-
te als behauptete/ward eineJtaliänische Stadt
von ihm erobert / welche seine Soldaten plün-
derten/ und darin hauseten / wie diese Nation
unlängst und leider annoch in Niederland / im
Cöllnischen/ Lrierischen / Mayntzischen und in,
sonderheit in der Pfaltz und angrantzenden Lan-
dern gethan und noch thun Sie raubten nicht
nur Geld und Gut / sondern auch Ehre; Frau-
en und Jungfrauen erlitten schändlicheGewalt;
unter solchem Wüten der Frantzosen suchte eine
außbündige schöneJungfran ihre Zuchl-Blu-
Lom.V.

me zu fristen / eilte derohalhenzum Könige hin/
und flehete mit einem demüthigen Fußfnll nmb
Schutz und Erhaltung ihrer Ehren. Köniz
Orolus verspricht ihr zwar Sicherheit für den
Soldaten/ weil er aber selber/ als ein junger
hitziger Herr / des Naschens sich übel wüste zu
enthalten/fielen seine selbst eigene entzündeteAu-
gen auff dist schöne Bild / mit dem schnöden
Wunsch / ein Reuter-Lager mit ihr anzustellen.
Er führete sie mit sich in sein Zimmer / warff sie
auffs Bette/und gedachte ihr zu nehmen/ was sie
unter seinem Schutz zu erhalten gesucht.
Diese Dame war des Gemüths nicht/ wie
manche andere / welche eines Potentaten unor-
dentliche Beywohnung mehr für ein hohes
Glück und Ehre/ als für eine Schande und Un-
ehre achteu/und sich groß dabey düncken lassen/
wann ihnen ein solcher Jupiter imSchoß fallet/
und einen jungen Hercules zuschantzet: Nein
sondern sie steüete sich eben so widersinnizdabey
an / als ob sie sagenwolte/ Ich mag'keine
Hure stl)N/(umbVerzeyhung ihr Herrneour-
lilLneii, wann ich nicht höfflich gnug schreibe)
wehrete sich demnach / so viel ihre zarte Kraffte
vermochten. In solcher ihrer keuschen Angst
erblickt sie ein an der Wand Hangendes geistli-
ches Gemahl / nehmlich die fertigste Jungfrau
Maria mit ihrem Kindlein auff dem Schoß:
Zeiget also mit der Hand dahin / und spricht zu
dem Uberwaltiger: 8ire , ich bitte euch
umb dieser unberührten Jungfrauen
willen / und beschwäre euch bey ihrer
Jungfrauschafft/schvnet derMeinigen.
Der König/ welcher wider die Ehrenburg albe-
reit in voller Rüstung war begriffen / hielt hier,
auffein/ nnd ließ sich bewegen / von seinem Für-
nehmen abzustehem Ja es rührte und erweich-
te diese züchtige Beschwarung sein Hertz der^
massen / daß ihm das Reuwasser/ die Helle«
Zahrm/ ans den Augen herfür rieselten / und er
 
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