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Hartlaub, Gustav Friedrich; Städtische Kunsthalle <Mannheim> [Hrsg.]
Meisterwerke des japanischen Farbholzschnittes: 12. Sept. bis 7. Nov. 1926 — Mannheim, [1926]

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https://doi.org/10.11588/diglit.16797#0005
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Zur Einführürrg^"

In dem historischen Augenblick, da sich der ferne Osten politisch
von der Bevormundung europäischer Macht frei zu machen anfängt,
haben wir Abendländer erst begonnen, ihn geistig zu umwerben, uns
zu erobern.

Und andrerseits, da der Osten in seiner politischen Verselbstän-
digung danach trachtet, westliche Wissenschaft und Zivilisation für sich
anzuwenden, beginnen wir gerade seine Geheimnisse, sein uns tief
gegensätzliches Wesen erst zu erschließen, uns ihm auszuliefern.

Die Umwerbung der ostasiatischen und südasiatischen Kultur-
kreise, ihrer Kunst und ihrer religiösen Weisheit, stellt eine der großen
geistesgeschichtlichen Rezeptionen in der Entwicklung des Abend-
landes dar. Heute umfaßt dieser Rezeptionsakt nach Möglichkeit die
ganze Weite japanisch-chinesischer, sowie indischer Oeisteskultur. Ein
mächtiges methodisches Erkenntnisstreben gilt der Erschließung von
Sprache, Religion, Weisheit, Wissenschaft, Kunst und Literatur dieser
räumlich und zeitlich ungeheuren Wachstumsgebiete des östlichen
Geistes. Nicht so großartig und methodisch hat dieses Streben begonnen.
Das erste Zueinanderneigen von Ost und West innerhalb der hier ge-
meinten geschichtlichen Periode geschah auf einem bescheidenen Felde
der bildenden Kunst, war nicht ein Akt wissenschaftlicher Erkenntnis,
sondern mehr ein Akt künstlerischer, gewissermaßen amateurhafter
Liebe, die sich hingab und sich mit Lust von dem Zauber östlicher
Gestaltung beeinflussen ließ. Es geschah dies im wesentlichen im
letzten Drittel des 19. Jahrhundeits, damals, als die große impressio-
nistische Kunstbewegung in Mitteleuropa bereits ihren Höhepunkt
hinter sich hatte und nach neuen unrealistischen Reizen zu suchen
begann. Damals flatterten jene zartbunten Bild-Blätter aus dem fernen
Osten zu uns herüber, um sofort eine mächtige, fast revolutionierende
Wirkung auszulösen. Es war nur der äußere Exponen Ostasiens,
nicht sein tiefes unabsehbares „Hinterland", es war Japan nicht China,
das seine Kunstboten hinüber schickte. Und es war nicht die Groß-
kunst jenes Landes, die aristokratisch-religiöse Malerei und Plastik, die
Welt der mit unerhörter Feinheit bemalten Hänge- und Rollbilder,
sondern was zu uns zuerst herüber kam, waren gewöhnliche Drucke,
bedruckte Blätter, Werke der Volkskunst aus der Spätzeit ostasiatischer
Kultur im 18. und 19. Jahrhundert, billige Gebrauchsgraphik.
 
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