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VON EINEM MÖNCHE, DEN EIN ENGEL DURCH
DEN HIMMEL UND DAS FEGEFEUER FÜHRTE

Dieser und der folgende Abschnitt aus Joseph Klapper: Erzählungen
des Mittelalters in deutscher Übersetzung und lateinischem Urtext,
Breslau 191b

Einst lebte zu Rom ein Mönch, der Gott wohlgefällig war.
Und es geschah am Anfange des Jahres, am Vorabend des
Festes Allerheiligen, als er sich zur Ruhe niederlegte, da
kam ein Engel und nahm die Seele des Mönchs und trug sie
an einen Ort, an dem er die Herrlichkeit Gottes erblickte,
und es kam eine edle Königin mit vielen Jungfrauen vor
den Herrn. Dann sah er, wie zwölf Männer in gleicher Weise
vor den Herrn traten, um ihn anzubeten. Darauf sah er eine
große Zahl Ritter, dann viele Priester, die in leuchtenden
Gewändern kamen. Einer von ihnen aber begann das Morgen-
gebet, und die andern halfen ihm dabei. Da fragte die Seele
den Engel: „Herr, was sind das für wunderbare Dinge?"
Der Engel aber antwortete: „Die Königin, die du siehst, ist
die selige Jungfrau Maria mit ihren Jungfrauen. Diese zwölf
Männer sind die zwölf Apostel, die Ritter sind die Märtyrer,
die Priester aber die Bekenner. Viele sind unter ihnen, die
in der streitenden Kirche ihr besonderes Fest nicht haben
auf Erden; dafür ist dieses Fest Allerheiligen eingeführt;
und jetzt bitten sie den Herrn für das gläubige Volk auf
Erden, das ihnen heute auserlesene Ehren erweist. Der
Heilige aber, der das Morgengebet begann, ist der Apostel
Petrus, in dessen Hand die ganze Kirche gegeben ist. Doch
jetzt will ich dich an einen Ort führen, an dem du Gottes
Wunder sehen sollst." Und er führte ihn auf einen hohen
Berg, um den ein Feuerstrom floß; darin waren Menschen,
zahllos wie der Sand des Meeres. Der eine stand im Wasser
bis zum Kinn, der andere bis zur Brust, ein anderer bis zu
den Knien. Darauf führte er ihn auf eine Wiese, die mit
Edelsteinen eingefaßt war, und darauf standen Sitze von

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