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Hartlaub, Gustav Friedrich [Hrsg.]; Cranach, Lucas [Bearb.]
Lucas Cranach, d.J., Der Jungbrunnen — Werkmonographien zur bildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek, Band 27: Stuttgart: Reclam, 1958

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https://doi.org/10.11588/diglit.63630#0018
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Maler, er ist — wie Lionardo in Italien — ein universaler
Geist, ein Humanist und Forscher, eine willensmäßig
nach voller Bewußtheit ihrer Mittel und Aufgaben stre-
bende Persönlichkeit, ein noch gotisch beginnender „Mei-
ster“, der sich zum „Künstler“ der Renaissance erhebt.
Cranach blieb immer nur Maler, sogar einer von der
zünftigen, halb noch mittelalterlichen Art, die sich mehr
als Handwerker fühlte trotz aller bürgerlichen Ehren.
Seine Kunst hat er ohne viel grundsätzliche Erwägungen
betrieben; theoretische Schriften, wie sie ein Dürer ver-
faßte, etwa über Perspektive, über Proportion und der-
gleichen, können wir uns von ihm kaum vorstellen. Zwar
stand auch der Wittenberger den Gelehrten der dortigen
Universität nahe, hat sich auch hin und wieder von ihnen
anregen lassen, aber sein Verhältnis zur Antike, ihrer
Kunst und ihrem Schrifttum ist im Gegensatz zu Dürer
kaum sehr ernsthaft gewesen; nicht selten hat er die
mythologischen Stoffe beinahe parodistisch in ein zeit-
genössisches Kostüm gesteckt, womit er wohl mehr den
Beifall ritterlich-höfischer Liebhaber als den der Huma-
nisten errang. Nie hat Cranach auch die Notwendigkeit
verspürt, nach Italien zu gehen, um dort die neuen
Kunstmittel, nicht zuletzt auch die neue Auffassung des
Nackten, wie wir sie z. B. in H. S. Behams großem Holz-
schnitt kennenlernten, zu studieren; sein Interesse für die
Renaissanceideale blieb oberflächlich, vielleicht bewußt
zurückhaltend, wenn nicht gar „protestierend“. Cranach
blieb der Provinzielle, der aber aus der Not seines Pro-
vinzialismus am Ende eine Tugend machte, indem er
einer altertümlich-gotischen Geschmacksrichtung neue, be-
sondere Reize abzugewinnen suchte. Während wir einen
Dürer uns nur an einem Mittelpunkt städtischer Kultur
vorstellen können, paßt es zu Cranach, daß er sein Le-
ben ziemlich nahe am Rande damaliger Hochzivilisation
verbracht hat, in einem noch bescheidenen Städtchen, das

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