Johann Heinrich Tischbein d. Ä. (1722-1789)
Johann Heinrich d. Ä., der sogenannte »Kasseler Tischbein«, entstammte der ersten Maler-
generation der talentreichen Familie, als deren bedeutendster Vertreter nach Wilhelm Tisch-
bein, dem zwei Generationen jüngeren er gilt. Nach einer Ausbildung als Tapetenmaler in
Kassel erhielt Joh. Heinrich durch Unterstützung des Grafen Stadion, der ihm auch später zu
seiner Ernennung als Hofmaler verhelfen sollte, die Möglichkeit zu dem seinerzeit unerläß-
lichen Paris-Aufenthalt. Für Tischbeins weitere künstlerischen Entwicklung entscheidender
als das 4jährige Studium bei Carle Van Loo, war wohl die daran anschließende Venedig-Reise
zu Piazetta. Für 1 Jahr hielt sich Tischbein dann in Rom auf, um anschließend nochmals 9
Monate bei Piazetta zu arbeiten. - 1751 kehrte Tischbein nach Deutschland zu seinem Gön-
ner dem Grafen Stadion zurück, der ihn bereits 1 Jahr später seinem Landesherrn, dem Gra-
fen Wilhelm VIII empfahl, der ihn daraufhin zum Hofmaler ernannte. 1756 heiratete er die
schöne Tochter des französischen Gesandten Robert, Marie Sophie, die jedoch nach 3jähriger
Ehe verstarb. 1762 erhielt Tischbein zusätzlich zu seinem Amt als Hofmaler eine Lehrtätig-
keit u. gehörte zu den angesehensten u. gesuchtesten Portraitisten seiner Zeit. 1763 heiratete
er Julie Marie Pernette, eine Schwester seiner ersten Frau, die bereits nach einem Jahr ver-
starb. Eine seiner beiden Töchter, Amalie, ihres ungewöhnlichen Liebreizes wegen sein
bevorzugtes Modell, widmete sich unter seiner Leitung der Zeichenkunst u. wurde eine
geschätzte Miniaturistin.
Die im folgenden angebotenen 4 Bilder bieten ein breites Spektrum Tischbeinscher Portrait-
kunst: Vom frühen Selbstbildnis aus Venedig, in jugendlich-unbekümmerter selbstbewußter
Pose u. der Maltradition des Lehrers Piazetta verhaftet, über das bestechend schöne u. intime
Bildnis seiner zweiten Frau, das ihn ganz auf der Höhe seines Könnens zeigt, zu den beiden
im Auftrag entstandenen Portraits; das Repräsentationsbildnis des Generals in Galauniform
und das reizende Rokoko-Bildnis der Gräfin. - Alle Bilder entstammen Privatbesitz. - Eine
Restaurierung, die durch lange, zeitweise unsachgemäße Lagerung notwendig geworden war,
wurde erstmals jetzt vorgenommen und beschränkte sich auf behutsame konservatorische
Maßnahmen. Die Bilder präsentieren sich somit unretoiliert u. ohne frühere (unsachgemäße)
Restaurierungsarbeiten. - Sämtliche Bilder sind von alter Hand auf rückseitigem Keilrahmen
befestigten Kärtchen bezeichnet, betitelt und teils datiert, die Leinwände numeriert. - Bilder
des Künstlers sind auf dem Kunstmarkt nicht häufig, eine derart repräsentative Sammlung
von Porträts von größter Seltenheit.
193 Selbstbildnis mit Maske und schwarzem Spitzenüberwurf. Öl auf Leinwand. 1753(?).
82,0 : 64,0 cm. (384) (24.000.-)
Prachtvolles Selbstbildnis von ungewöhnlicher Intensität des Ausdrucks u. raumgreifender Gestik. - Die rück-
seitige alte Beschriftung datiert das Bild auf 1753, eine Zeit, als der Künstler bereits zum Hofmaler ernannt wor-
den war, der Einfluß seines Lehrers Piazetta jedoch noch spürbar gewesen sein könnte. - Das Bild zeigt den
Moment des (gegenseitigen) Maskenabnehmens im Karneval, dem das Erkennen u. Grüßen folgt. Das Gegen-
über ist in diesem Fall der Betrachter, ein Umstand, der dem Bild seine besondere Unmittelbarkeit u. Sponta-
neität verleiht. - Starke Krakelüren; einige kürzere Risse in der Malschicht. - Farbfrisch. - Rückseitig mit der
Nr. 98. - Die hs. Bezeichnung lautet »Selbstbildnis im Maskenanzuge 1753 gemalt«.
Farbige Abbildung s. Frontispice
194 Julie Marie Pernette Tischbein, geb. Robert. Öl auf Leinwand. Um 1763. 81,0 : 64,5 cm.
(384) (16.000.-)
Hervorragend schönes Bildnis von besonderer Intimität u. Wärme des Ausdruckes. - Dargestellt ist die zweite
Frau des Künstlers in einem Neglige aus blauer Seide mit eingewebten Blütenmustern, Ärmel u. Ausschnitt mit
Spitzenvolants verziert, in der Linken ein halbgeöffnetes Buch mit marmoriertem Umschlag, die Rechte auf eine
grünsamtene Brüstung gestützt. - Die Behandlung in der Stofflichkeit des bauschigen Seidenüberwurfes u. der
Plastizität des Körpers vor dem unbestimmt gehaltenen braun-schwarzen Hintergrund weisen einen hohen
Grad an Meisterschaft auf. - Partie im Hintergrund rechts oben restauriert. - Farbfrisch. - Rückseitig mit der
Nr. 99. - Die hs. Bezeichnung lautet (fälschlich): »Seine erste Frau, geb. Robert«.
Abbildung auf Tafel 9
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Johann Heinrich d. Ä., der sogenannte »Kasseler Tischbein«, entstammte der ersten Maler-
generation der talentreichen Familie, als deren bedeutendster Vertreter nach Wilhelm Tisch-
bein, dem zwei Generationen jüngeren er gilt. Nach einer Ausbildung als Tapetenmaler in
Kassel erhielt Joh. Heinrich durch Unterstützung des Grafen Stadion, der ihm auch später zu
seiner Ernennung als Hofmaler verhelfen sollte, die Möglichkeit zu dem seinerzeit unerläß-
lichen Paris-Aufenthalt. Für Tischbeins weitere künstlerischen Entwicklung entscheidender
als das 4jährige Studium bei Carle Van Loo, war wohl die daran anschließende Venedig-Reise
zu Piazetta. Für 1 Jahr hielt sich Tischbein dann in Rom auf, um anschließend nochmals 9
Monate bei Piazetta zu arbeiten. - 1751 kehrte Tischbein nach Deutschland zu seinem Gön-
ner dem Grafen Stadion zurück, der ihn bereits 1 Jahr später seinem Landesherrn, dem Gra-
fen Wilhelm VIII empfahl, der ihn daraufhin zum Hofmaler ernannte. 1756 heiratete er die
schöne Tochter des französischen Gesandten Robert, Marie Sophie, die jedoch nach 3jähriger
Ehe verstarb. 1762 erhielt Tischbein zusätzlich zu seinem Amt als Hofmaler eine Lehrtätig-
keit u. gehörte zu den angesehensten u. gesuchtesten Portraitisten seiner Zeit. 1763 heiratete
er Julie Marie Pernette, eine Schwester seiner ersten Frau, die bereits nach einem Jahr ver-
starb. Eine seiner beiden Töchter, Amalie, ihres ungewöhnlichen Liebreizes wegen sein
bevorzugtes Modell, widmete sich unter seiner Leitung der Zeichenkunst u. wurde eine
geschätzte Miniaturistin.
Die im folgenden angebotenen 4 Bilder bieten ein breites Spektrum Tischbeinscher Portrait-
kunst: Vom frühen Selbstbildnis aus Venedig, in jugendlich-unbekümmerter selbstbewußter
Pose u. der Maltradition des Lehrers Piazetta verhaftet, über das bestechend schöne u. intime
Bildnis seiner zweiten Frau, das ihn ganz auf der Höhe seines Könnens zeigt, zu den beiden
im Auftrag entstandenen Portraits; das Repräsentationsbildnis des Generals in Galauniform
und das reizende Rokoko-Bildnis der Gräfin. - Alle Bilder entstammen Privatbesitz. - Eine
Restaurierung, die durch lange, zeitweise unsachgemäße Lagerung notwendig geworden war,
wurde erstmals jetzt vorgenommen und beschränkte sich auf behutsame konservatorische
Maßnahmen. Die Bilder präsentieren sich somit unretoiliert u. ohne frühere (unsachgemäße)
Restaurierungsarbeiten. - Sämtliche Bilder sind von alter Hand auf rückseitigem Keilrahmen
befestigten Kärtchen bezeichnet, betitelt und teils datiert, die Leinwände numeriert. - Bilder
des Künstlers sind auf dem Kunstmarkt nicht häufig, eine derart repräsentative Sammlung
von Porträts von größter Seltenheit.
193 Selbstbildnis mit Maske und schwarzem Spitzenüberwurf. Öl auf Leinwand. 1753(?).
82,0 : 64,0 cm. (384) (24.000.-)
Prachtvolles Selbstbildnis von ungewöhnlicher Intensität des Ausdrucks u. raumgreifender Gestik. - Die rück-
seitige alte Beschriftung datiert das Bild auf 1753, eine Zeit, als der Künstler bereits zum Hofmaler ernannt wor-
den war, der Einfluß seines Lehrers Piazetta jedoch noch spürbar gewesen sein könnte. - Das Bild zeigt den
Moment des (gegenseitigen) Maskenabnehmens im Karneval, dem das Erkennen u. Grüßen folgt. Das Gegen-
über ist in diesem Fall der Betrachter, ein Umstand, der dem Bild seine besondere Unmittelbarkeit u. Sponta-
neität verleiht. - Starke Krakelüren; einige kürzere Risse in der Malschicht. - Farbfrisch. - Rückseitig mit der
Nr. 98. - Die hs. Bezeichnung lautet »Selbstbildnis im Maskenanzuge 1753 gemalt«.
Farbige Abbildung s. Frontispice
194 Julie Marie Pernette Tischbein, geb. Robert. Öl auf Leinwand. Um 1763. 81,0 : 64,5 cm.
(384) (16.000.-)
Hervorragend schönes Bildnis von besonderer Intimität u. Wärme des Ausdruckes. - Dargestellt ist die zweite
Frau des Künstlers in einem Neglige aus blauer Seide mit eingewebten Blütenmustern, Ärmel u. Ausschnitt mit
Spitzenvolants verziert, in der Linken ein halbgeöffnetes Buch mit marmoriertem Umschlag, die Rechte auf eine
grünsamtene Brüstung gestützt. - Die Behandlung in der Stofflichkeit des bauschigen Seidenüberwurfes u. der
Plastizität des Körpers vor dem unbestimmt gehaltenen braun-schwarzen Hintergrund weisen einen hohen
Grad an Meisterschaft auf. - Partie im Hintergrund rechts oben restauriert. - Farbfrisch. - Rückseitig mit der
Nr. 99. - Die hs. Bezeichnung lautet (fälschlich): »Seine erste Frau, geb. Robert«.
Abbildung auf Tafel 9
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