Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Universität Heidelberg [Hrsg.]
Akademische Mitteilungen für die Studierenden der Ruprecht-Karls-Universität zu Heidelberg: Sommer-Halbjahr 1913 — Heidelberg, 1913

DOI Heft:
Nr. 11 (5. Juli 1913)
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.25137#0092
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Hbidälbbbgbe Akademisch® Mitteilctgbs

Student und Kellnerin.
Unter dem Titel „Student und Kellnerin, eine Frau an die Stu-
dentenschaft“ erlässt eine auf dem öebiet des Kellnerinnenwesens seit
Jahren hervorragend tätige Dame des deutschen Adels folgenden Aufruf
an die Studentenschaft, den wir gerne zum Abdruck bringen. Werbe-
Abdiücke dieses Aufrufes sind unentgeltlich zu beziehen vom „Sekre-
tariat sozialer Stndentenarbeit“, M.-Gladbach, Kurzestr. 10.
Eine Frau an die Studentenschaft.
Von Euch deutschen Studenten hängt es in erster Linie ab, ob
der Kellnerinnenberuf erhalten bleiben kann, ob in ihm anständige
Mädchen einen ehrbaren Lebensunterhalt finden werden, oder ob er
noch tiefer sinken wird, seine Angehörigen in immer grösserer Zahl
sittlich darin zugrunde gehen werden.
Deutsche Studenten, Ihr seid verantwortlich, wenn in Eurem
Väterlande ein weiblicher Beruf aufgelöst werden muss, der in andern
Ländern angesehen und hochgewertet dasteht. Noch ist es Zeit, die
Scharte vergangener Unehre auszuwetzen, wenn Ihr Euer Benehmen
revidiert und soziale Pflichten den Kellnerinnen gegenüber anerkennt.
Achtet die Frau im Arbeitskleide, auch wenn sie das Kellnerinnen-
gewand trägt. Auch sie hat eine Ehre, die um so mehr geachtet zu
werden verdient, ä’s sie nicht von den Schranken der Konvention
umgeben ist.
Unterscheidet nicht zwischen der Standesgenossio, der Achtung,
Verehrung und Ritterlichkeit gebührt, und dem erwerbenden Kinde des
Volkes, demgegenüber Freiheit gestattet ist; und wenn dieses Kind des
Volkes Euch in dem exponierten Kellnerinnenberuf begegnet, dann seid
Ihr doppelt und dreifach verpflichtet, es ritterlich zu schützen.
Verurteilt das Mädchen nicht, weil es im Kellnerinncnberuf sein
Brot verdienen will. Eine grosse Anzahl Mädchen sieht sich heute
noch gezwungen, den Kellnerinnenberuf, trotz eingerissener Missbräuche,
zu ergreifen, weil er unter allen weiblichen Berufen den meisten Ge-
winn in Aussicht stellt. Zuweilen gilt es, alte Eltern mit den reichern
Einnahmen zu unterstützen, jüngern Geschwistern den Aufstieg zu

höherer Lebensstufe zu ermöglichen; oft zwingt zu diesem Entsch’uss
die Sorge für ein Kind, das Lühere Schuld ins Leben setzte, eine
Schuld, für die ein anderer mitverantwortlich ist, der sich seinen Ver-
pflichtungen entzog.
Deutsche Studenten, behandelt die Kellnerinnen mit Anstand. Be-
weist durch Euer Benehmen, dass Ihr auch in der Kellnerinnenbedie-
nung die Arbeit ehrt, in der Kellnerin die Frauenwürde hochhaltet.
Hütet Euch, auch nur den Schein zu erwecken, als ob Ihr die harte
Arbeit der Gastwirtsgehilfin auf gleiche Stufe stellt, wie die traurige
Konkurrenz jener, für die der Kellnerinnenname nur der Deckmantel
unlauterster Absichten geworden ist.
Wahret auch der Kellnerin gegenüber die Formen, die Erziehung
Euch lehrte, und schafft die Unsitte ab, die Kellnerin mit „Du" und
mit dem Vornamen anzureden. Erleichtert dem Mädchen die schwere
Mühe eines Berufs, der 14-, ja 16-stündige Arbeitszeit in schlecht-
gelüfteten Totalen verlangt, überlegt, ob Ihr Dicht durch kleine Rück-
sichten in etwas beitragen könnt, die Ruhezeit zu verlängern, allzu
vieles Laufen und Hasten zu verringern. Erwidert den Dienst der
Kellnerin mit Freundlichkeit, zeigt ihr, dass Ihr Verständnis habt für
die Schwierigkeiten ihres Berufs, macht sie aufmerksam auf die sozialen
Einrichtungen, die ihr nützen können.
Und wenn Ihr unter den Euch bedienenden Kellnerinnen solche
antrefft, denen sittliches Empfinden verloren ging, dann stosst sie nicht
noch tiefer in den Schlamm hinab, sondern beweist, dass Ihr auch
im gefallenen Mädchen die Frau noch achtet, indem Ihr versucht, den
vielleicht noch glimmenden Docht ehrbarer Gefühle zu wecken.
Gedenket, dass jede vernichtete Frauenehre, der Ve lust einer
Menschenseele, das Scheitern der mütterlichen Mission dieses Weibes
eine Verringerung unserer reinen Volkskraft bedeutet.
Gesetzesparagraphen und Fürsorgearbeit helfen wenig, ja nichts im
Reformwerk für Kellnerinnen, wenn Ihr Studenten versagt, wenn Ihr
nicht fest entschlossen seid, mit dem Schild Eurer Ritterlichkeit einen
Beruf zu decken, der aus der hauswirtschaftlichen Tätigkeit der Frau
herausgewachsen ist und der in Gefahr steht, in Hässlrchkeit unter-
zugehen, weil altgermanische Auffassung über Frauenehre und Männer-
pflichten von einer neuen Generation nicht übernommen ward.

Bei der Drucklegung i

3hrer Dokior-flrbeii

Uhrer Dissertation handeln Sie in Ihrem eigenen Unteresse, wenn
Sie Uhren Auftrag einem Bause erteilen, das schon über fünf Uahr-
zehnte die Berstellung doh wissenschaftlichen Werken wie auch
non Dissertationen jeder Fakultät als Besonderheit pflegt Bitte
nerlangen Sie durch Fernsprecher 419 oder Postkarte den Vertreter
der Uninersifäis-Buchdruckerei 3. Börning, Bauptstrasse 55, die
bei gewissenhafter und rascher Bedienung sowie billigst gestellten
Preisen sich bestens empfohlen hält zur üebernahme des Druckes
 
Annotationen