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Heidelberger Journal (46) — 1852

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Nr. 128-151 (2. - 30. Juni 1852)
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https://doi.org/10.11588/diglit.66017#0523
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9

N: 130.


Freitag, 4. Juni

833



Ausiunft erthetlt, die Spaltzeile in Petilſ chrift Ekr.



+ Ein Wendepunkt in der Welt-
geſchichte?

¶Schluß.) *

Vor dieſer Erſtarkung und Entwickelung
des Staais und Koͤnigthums ſanken die
Anſprüche der Hierarchie in den Zeiten ihrer
Blüthe, wonach nicht blos die geiſt-
lide, fondern auch die weltliche
Lerrſchaft dem Papfte zuſtehe, und alle
Könige nur Lehensträger feines Stuhles
feien, dahin, lange vor der RNeformation,
Die Sätze eines Gregor VII, das Papſt-
thum fei die Sonne, das weltliche Fuͤrſten-
thum der Mond, eines Innocenz IM., IV.,
Bonifaz VIII. (porro subesse Romano ponti-
fici omnem humanam creaturam declaramus,
dieimus, _et definimus et pronuntiamus om?
nino esse de necessitate salutis) werden
jeßt wohl nicht mehr geltend gemacht und
es iſt dies der beſte Beweis, daß auch die
Hierarchie! auch die Kirche den Geſetzen
menſchlicher Entwickelung unterworfen ift
und ihre Aufgabe, wie ihr Verhäliniß im
Staat und zum Staat mit den Aufga-
ben, die dieſer zu löſen hat, mit der Ent-
wickelung/ die er in der Zeit einnimmt, im
Einklange ſtehen muß.

Wir begreifen daher nicht, wie man hie
und da in kirchlichen Blättern dem Staaͤte
gegenüber mit „Kataftrophen “ drohen
mag, durch welche die Begehren des Klerus
zu ihrer Zeit herbeigeführt werden wür-
den”, In Bezug auf Bayern thut dies
‚ 3, B, ein Correſpondenzartikel des „Mainzer
Journals“ aus der bayeriſchen Pfalz . in
Nr. 95-d. Dlattes, wo zu leſen ift, vaß
die Aenderung der kirchlichen Ber-
hältniſſe nicht frtedlich fondern
durch Kataſtrophen herbetgeführt
werden würden, von denen ungs
beute kaum nocheine Ahnungbe-

ſchleicht! Die Weltgeſchichte wird
eben wieder großartiger; nachdem
fie eine Zeit lang Kleinſtaaterei
vorhereſchend betrieben hat, treten
jegt wieder ganz andere Factoren
in den Vordergrund der Bühne,
deren Gewicht Bedeutung und
Tragweite erſt die Zukunft kehren
—— ꝛ —

Es wird uns alſo hier ein neuer Wende-
punft der Weltgeſchichte verkündigt; die
Kleinſtaaterei hat ſich überlebt; ſie wird
verſchwinden; und die Factoren, die an
ihre Sielle tteten werden? Wer ſind ſie?
Es wird uns nicht mit klaren Worten ge-
fagt, ſondern in das Dunkel eines Orafel-
ſpruchs gehüllt, den man ſo und ſo deuten
kann. Soll an die Stelle der Kleinſtaate-
reil, zu welcher wie es ſcheint, auch Bayern
gezählt wird, da dort von bayeriſchen Ver-
paͤltniſſen zunaͤchſt die Rede if, etwa ein
großes weltliches Reich ireten? Waͤre dies


toren in demſelben ſchwexlich die Bedeutung
erlangen, wovon der Schreihex jenes Arti:
kels zu iräumen ſcheint. Diefe Facloren
werden weder in großen noch in kleinen
Staaten zum Uebergewicht gelangen, und
wenn politiſche Kataſtrophen eintreten,

welche den Staat bedrohen, ſo wird die
Kirche nicht nur keinen Nutzen davon
haben, ſondern ſie wird mit dem Untergang
des Staates zugleich das einzige Fundament
verlieren, auf dem ſie ſelbſt fiebt, und das
ihr eine Wirkſamkeit und Bedeutung ſichert.


fußend auf die Lacht der religiöſen Ideen,
von denen die Maſſen wie die Spitzen der
Geſellſchaft beherrſcht waren, wirkiich über


bringlich dahin, und der beſte Beweis, wie
abhaͤngig die Kirche vom Staate geworden,
iſt eben die Thatſache, daß da, wo die Ne-
volution den Staat ſtürzte, auch die Kirche
zur Ohnmacht herabſant, ja, wie feiner Zeit
in Frankreich, völlig vernichtet wurde, und
daß erſt der Staat wieder aufgerichtet ſein
mußte, ehe und bevor die Kirche ihre Auf-
erſtehung feiern konnte. ! >
Das iſt der Wechfel in den menſchlichen
Dingen und das Geſetz menſchlicher Ent-


wohl eine kirchliche Doctrin iſt, aber eine


Idee nichts gemein hat. Diefe iſt unſterb-
lich, wie der ſittliche Geiſt, den die Form
des Staates ſich ſchafft. Die Kirdhe als
Form iſt dem Wechſei unterworfen, denn
auch der religioͤſe Geiſt iſt ein lebendig ſich
fort⸗ und umbildendex und ſchafft aus ſich
heraus die Form, die ihm angemeſſen iſt.
Die Drohungen mit nicht friedlichen ver-
hängnißvollen Kataſtrophen, die der
Kleinſtaaterei zu Gunſten der Kirche
ein Ende machen würden, ſind daher eben
fo leer und thöricht, ihrem Weſen nach, als
ſie ungeeignet und unangemeſſen ſind im
Munde Derer, denen man ſoviel Wiffen
und Geiſtesbildung zutrauen ſollte, um zu
erkennen, daß nichi ſie es ſind, die den Staat
tragen, ſondern daß der Staat es iſt, der
ſie trägt, und daß es ihnen beſſer ſtünde,
ſich friedlich mit dem Staate zu verſtaͤndi-
gen, als eine Oppoſition gegen ihn zu ma-
chen, die weder einen geiſtigen noch einen
materiellen Boden hat.

Deutſchland.

(* Karlsruhe, I. Juni. Dem iſraeli-
tiſchen Oberrath, Herrn Epſtein, wurde
hier am 30. Mai, dem Tage, an welchen
er vor 43 Jahren in ſeine gegenwärtige
Stellung eingetreten war, von ſaͤmmtlichen
ſraelitiſchen Lehrern Badens eine Daͤnt-
Adreſſe für ſein raſtloſes Wirken während
dieſer Zeit, insbeſondere aber für die ho-
hen Verdienſte, welche er ſich durch Gruͤn⸗
dung der iſraclitiſchen Schulen und Ver-
beſſerung der Lehrer⸗Verhältniſſe in Baven
erworben hat, überreicht. Der überrafchte,
mit noch jugendlicher Kraft ausgeruͤfiete
Greis vermochte vor Rührung kaum ſeine
Dankesworte auszuſprechen.

Ein Feſtmahl vereinigte Nachmittags die
Lehrer, den Gefeierten an ihrer Spitze, in


und von Herrn Kantor Rofenhain in
Rohrbach Herrn Epſtein gewidmetes Lied
ward vierſtimmig geſungen, viele Toaſte,
Sr. Kön. Hoheii dem Regenten, fowie

Herrn Epſtein, Herrn Ober-Kirchenrath
Sonntag 20 ausgebracht — in der gegen-


ſondern nur von Anſtoßen der Gläſer be-


den feſtlichen Tag, welcher zugleich als Grün-
dungstag des „Epſtein Vereins“ gilt, eines
Lehrer⸗Vereins, welcher ſich die Aufgabe ge-


chem der Verein benannt iſt, treu zu wahren
und arme Seminariſten, welche ſich zu iſrae-
litiſchen Lehrern heranbilden wollen, zu un-
terſtützen. Die Statuten deſſelben ſind der


gelegt.

Karlsruhe, 1. Juni. (Güterverkehr auf
der großh. Eiſenbahn.) Im Monai Mat
haben die hieſige Station paſſirt: landauf-
wärts 2332, landabwärts 1119, zuſammen
3451, ſomit durchſchnittlich per Tag 110
heladene Güterwagen. Ferner paſſirten die
biefige Station 1021 leere Gülerwaͤgen in


dungen nach der entgegengefetzten Richtung
aufzunehmen. Karlsr. 39

— Zu unſerem großen Bedauern erfah-
rey wir ſo eben, daß einer der ſchleswin-
holſteiniſchen evangeproteſtantiſchen Geifi-
lichen, welche im Badiſchen eine freund-
liche Aufnahme und Unierkunft gefunden,
geſtern geſtorben iſt. Es iſt dieſes Pfarrer
Arelſen von Ittersbach und Langenald (fruͤ⸗


Stelle vereinigt). Ein Nervenfteber raffte
ihn in wenigen Tagen weg. Arelſen wirkte
mit großem Eifer in ſeinen beiden Gemeine


rade in der letzten Zeit, wo die Noth übers


beſonders aber in den beiden Gemeinden


dauert. (S. M.)
AKarlsruhe, 3. Juni. Geſtern wurde

hier bei dem Seeienamt in der kaͤtholifchen

Kirche von den 40 franzöſiſchen Bergfänz


vorgetragen und mit Beifall aufgenommen.
Aus Baden, I. Juni. Am 29. D M.

e


gel zum Bau der großartigen neuen Eiſen-
hahnbrücke über die Kinzig geſchlagen. Dem
feierlichen Acte wohnte der Hr. Präſtdent
des großh. Miniſteriums des Innern, Frhr.
x. Marſchall, und der Directoͤr der großh.
Voſten und Eiſenbahnen, Frhr. v. Reizen-
ſtein, bei. — Die „Konſtanz. Ztg.“ brachte
ſchon wiederholt Mittheilungen über Zeichen
freundlicher Erinnerung des Prinz⸗Präſiden-


Zeit ſeines Aufenthalts zu Axenenberg. Sie
erzählt wieder einen ſolchen Fall. Der frü-
here Jäger L. Napoleons, Wucherer von
Allensbach, begab ſich jüngſt naͤch Paris,
wo er von ſeinem früheren Herrn ſehr gütig.
aufgenommen wurde. Er erhielt ein Ges
ſchenk von 1000 Fr. und eine jährliche Pen-
ſion von 300 Fr. Karlsr. 3)

Pforzheim, 30. Mai. Die Beſitzer ei-
ner hieſigen Graͤtzgoldausſcheideanftalt haben
kürziich, um ibrem Geſchafie eine größere
 
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