ruhe, gegen ihn in Anwendung bringen wol-
len. Der Reiz waͤhrer Weiblichkeit zog unfern
Goethe unwiderſtehlich an, wie „‚fein hober
Gang, ſeine edle Geſtalt, ſeines Mundes Lä-
cheln, ſeiner Augen Gewalt und ſeiner Rede
BZauberfluß“ alle Frauen mächtig hinriſſen.
Aber zu ſeiner eigenen Erhaltung bedurfte er
einer beſondern Entſagungs? und Wiederher-
ſtellungskraft, welche ihm die gütige Natur
verliehen, damit er ſich nicht ſelbſt aufreibe,
ſondern immer nen geſundet aus den gewal-
tigſten Seelenkämpfen hervorgehe! Treilich
müffen wir ihm jene Treue völlig abſprechen,
welche ſich für das ganze Leben einem einzigen
weiblichen Weſen in ewiger Liebe hingibt, deſſen
Verluſt ſie nicht ertragen kann, jene Behaͤrr-
lichkeit, welche ſich an eine Liebe feſt anklam-
mert und verblutet, wenn der Gegenſtand ihm
entriſſen wird! aber daraus folgt keinesweßs,
daß ſeine Liebe weniger innig und wahr ge-
weſen vielmehr ergriff ſie ihn um ſo feuriger,
je raſcher ſie ſich in ihm austobte, un ihn
bald in neue leidenſchaftliche Verwickelungen
den goldenen Regenbogen der Dichtung ent-
ſteigen zu laſſen. Dafür blieb dem Dichter
aber auch das höchſte Glück, der dauernde
Beſitz des mit allen Kräften und Sinnen er-
ſtrebten Gegenſtandes ſeiner Liebe, auf immer
verfagt, fo daß er an wahrem Liebesglück das
einbüßte, was er im wechſelnden Kampfe der
Liebesleidenſchaft als Dichter gewann. Nur
Hüte man ſich, ihn varum in feinen Liebes
verhältniſſen einer kalten Berechnung zu be-
ſchuldigen welche nach Laune ſolche anknüpfte
und abbrach; vielmehr Iag hierin eine gewiſſe
dämoniſche Gewalt, welche ihn unwillkürlich
umhertrieb und ihn oft gewaltſam fortſchleu-
derte, mo feine Befonnenheit ihr Widerſtand
leiſten wollte; denn ſich ſelbſt zu beherrſchen,
war ſeit frühen trüben Erfahrungen ſein be⸗—
ſtändiges Augenmerk, und wie fehr ihm Dieg
; fpäter, ſchen gegen Ende der ſtebziger Jaͤhre
gelang, zeigt die genauere Kenntniß ſeiner
Lebensverhältniſſe.
„Je tiefer die leidenſchaftlichen Stütme von
ſein ganzes dichteriſches
Leden und Schaffen hineingriffen, um ſo wich-
tiger muß es erſcheinen, beſonders bei der viel-
fachen Entſtellung, die ſich raſch urtheilende
Leichtfertigkeit und blinder Haß erlaubt haben,
ſie in ihrer reinen Wirklichkeit dargeſtellt und
gewuͤrdigt zu finden, abgeſeben davon, daß die
meiſten hier in Betracht kommenden Frauen
auch ſelbfiſtändig für ſich hohen Antheil zu
erregen verdienen dürften.“
So ſpricht ſich Düntzer im Vorwort des
hier angekuͤndigten Buches aus. Der Verfaffer,
der mit dem Eifer leidenſchaftlicher Liebe die
Schriften und das Leben Goethels durchforſcht
und ſchon manches bedeutende Moment ans
Licht gezogen hat, gibt uns mit dieſem Werk
einen neuen ſehr werthvollen Beitrag zur beſ-
ſern Kenntniß und Würdigung unſeres großen
Dichters. Die Frauenbilder, die er aufſtellt
und in deren Schilderung ſich eine ganze Ju-
gendgeſchichte Ooethe’8 entwidelt, ſind feine
Mutter und ſeine Schweſter, Friederike Brion,
Anna Sibhlla Münch, Anna Eliſabeth Schöne-
mann (Xili) und Auguſte Luiſe von Stolberg-
Unter dieſen Geſtalten iſt die am wenigften
bedeutende Anna Sibylla Münch; ſie iſt aber
auch zugleich Diejenige, von der wir bis jetzt
am wenigſten gemußt, und über die der Ver-
faſfer am meiſten Neues beizubringen im Stande
war. Da zudem Goethel? Verhaͤltniß zu Anna
Sibylla in die entſcheidenſte Periode ſeines
Lebens fällt, ſchien e& uns zweckmäßig! den
Leſern gerade dieſen Abſchnitt naͤch ſeinen Haupt-
ſtücken mitzutheilen.
Literatur nicht erſchollenen Namen in das Leben
mit nur eine Pflicht zu erfüllen, welche die
Nachwelt dem Andenken eines edlen, reizenden
Mädchens ſchuldet, das, wenn auch nur auf
kurze Zeit die zärtliche Neigung unſers Dich-
ters feſſelte und auch noch in ſeinen ſpäteſten
Lebensjahren als „die Mäßige, Liebe, Verſtaͤn—
vige, Schoͤne, Tüchtige, ſich immer Gleiche,
Neigungsvolle und Leidenſchaftéloſen ſeinem
Geiſte vorſchwehte! (Vergleiche Werke, Band
22, 318.) Mit ihrem Namen hat Goethe ſte
nicht bezeichnet, wie Aeunchen, Friederiken, Lot-
ten und Lilt, mag er nun deſſelben ſich nicht
mehr erinnert oder ein anderer @rund, etwa
daß ſeine Leipziger Geliehte ſchon als Aeunchen
bezeichnet iſt, ihn daͤzu beſtimmt haben, —
Jedenfalls verdient fie eine namentliche Er-
wähnung im Kreiſe derjenigen Frauen, denen
Goethe’8 Herz zugeneigt war.
Der Sommer Ddes Jahres 1773, mar der
erfte, welchen @uethe ſeit dem Jahre 1769 in
Frankfurt verlebie. Die Schwefter, bereit8 an
Schloſſer verlobt, hatte einen Kreis von gebil-
deten Frauenzimmern um ſich verſammelt, an
dem Goethes Freunde ſich gern betheiligten,
um wie im Winter an allen Dienſttagen zu
groͤßeren Abendgeſellſchaften, fo inı Sommer
zu freundlichen Luſtfahrten und ländlichen Ver-
gnügungen ſich zu verbinden, denen der Vater
ſetzt auch nicht mehr wie früher entgegen ſein
konnte. Zu dieſem Kreiſe gehörten Goethe's
Freunde Horn, MRiejfe, Crespel, Erespel's
Schweſter und die Gerocks. — Im Jahre 1773
müſſen auch Fr. H. Jacobis Gaͤttin Helena
Eliſabeth (Betti) und deſſen ältere Halbſchwe-
ſter Charlotte Katharine, die eben aus einer
Erziehungsanſtalt zurück mar, {n Frankfurt
geweſen und unſerm Dichter bekannt geworden
fein, von denen letztere aug an jenen geſelligen
Vergnügungen muntern Antheil nahm.
Es ift nicht ganz unwahrlſcheinlich! daß auch
Sophie von la Roche und deren Tochter Warxi- |-
miliane Euphroſine (um die ſich J. O, Jacobi
bemüht haite) ſich im Sommer 1773 einige
Beit in Frankfurt aufgehalten, und daß waͤh⸗
rend ihrer dortigen Anweſenheit die Verbin-
dung der letziern mit Brentano eingeleitet wor-
den worauf man die Aeußerung SGoethe’sS in
einem Briefe an Bettt Jacobi aus dem Februar
1773 deuten Fann. „IOh fühle, daß ich ihr
(der Frau von Ia Roche) weit mehr bin, ſie
mir weit mehr ift, als vor zwei Jahren (im
Herbſt 1772 lernte ev ſie näher kennen) ja
als vor'm halben Jahr?
Wahrſcheinlich gehörte auch Jakob Ludwig
Paſſavant ſchon damals zu Goethles Freunden
und nahm an den geſellſchaftlichen Vergnuͤgun-
Goethe ein Hochzeitsgedicht auf deſſen Bruder
Jakob; im Sult 1775 durchreiste er mit ihui
die kleineren Kantone der Schweiz, und er
war der einzige von ſeinen Freunden, der im
Oetober 1765 von ſeiner noch nicht erfolgten
Abreiſe wußte. Gaͤl! Goethes Briefe an La-
vater S, 16.) ;
Endlich gehörte in Dden Kreis der Familien,
welche ſich zu frohem Zuſammenleben mit Goe-
theis näheren Freunden geeint haͤtten, auch
die des für reich geltenden Kaufmanns Pht-
lipp Anſelm Münch, geboren im März 1711,
der ein großes und angenehmes Haus machte.
Er wohnte in der Döngesgaſſe; das Haus iſt
jetzt neu gebaut und neu Mr. 20, alt Lit H.
Nr. 169 bezeichnet, Eigenthum des Vetrn
Zimmermann! Er hatte einen Sohn und drei
Toͤchter von denen die älteſte Anna Sibylla
Mündy, geboren am 3. Juli 1758, in ein
näheres Verhältniß zu unſerem Dichter treten
follte. Goethe beſchreibt ſie (Werke, Bo. 22,
die man ſich als Frau gerne Ddenken mag. ı
„Ihre Geftalt,“ fährt er fort, „war ſchoͤn
und regelmäßig; ihr Geſicht angenehm, und
in ihrem Betragen waltete eine Ruhe, die von
der Geſundheit ihres Koͤrpers und ihres Gei-
ſtes zeugte.
Stunden völlig gleich. Ihre häuslihe Thätig-
keit wurde hoͤchlich gerühmt. Ohne daß ſie
geſprächig geweſen wäre, konnte man an ihren
Aeußerungen geraden Verſtand und eine na-
türliche Bildung erkennen.“ Zweifeln könnte.
Geſellſchaft gehört habe.
Fortſetznng folgt.)
Buntes.
.. Zu Candebec (Frankreid) haben Verhaſtun-
gen in Folge dreitägiger Ruheſtörungen Statt ge-
habt, Ddie eine feltjame Beranlaffung hatten:; 'ein
Vöjähriger Mann wollte ſich nämlich mit einem
17jährigen Mädchen verheirathen und feine Naͤch-
ga;;u fuchten ihn durch Katzenmuſtken davon abzus
alten ®
Wtr ſehen, wie jährlich die deutfchen Aus-
wandexungen zunehmen, machen uns aber ſchwer-
lich eine Vorſtelluag von den Verhäliniſſen der
Zunahme in den letzten 32 Jahren! Im Jahr
1820 betrug die Zahl der deuifchen Auswanderer
2200 und 1829 ſchon Sooo; im Jahre 1842 aber
20,000, 1846 ſchon 106,6623 1847 betrug die Zahl
110,434, nahın aber 1848 big auf 83,511 ab unD
ftieg 1851 wieder auf 113,199. Man nimmt im
®anzen 1 Million Deutſcher an, die feit 1820 ihr
Vaterland verlaſſen haben. Die Köln. Ztg. hält
dieſe Zahl für zu gering. 7 d
Eintge Seemeilen von der Weſtkuͤſte Frlands
entfernt, will man kürzlich bei ungewöhntich nied-
der hier, theilweiſe zu Grunde gegangenen ſpa-
niſchen Armada angehören follen, Man wird bei
der nächſten Springfluth Verſuche machen, etwas
von den nun ſeit 300 Jahren unter Waffer befind-
lichen Schiffegeräthen ans Licht zu ſchaffen.
men, Bruder des Senats-Seeretärs und früheren
Redacteurs der Weſex⸗Zeitung, und dem Inges
nieur Cornelſen aus Kopenhagen iſt der Da
des Kryſtall· Palaſtes für die bevorſtebende Indu
ſtrie Ausſtellung in New-York vom leitenden
Comite —— OTD l
.. Bei Vascrinmet (Hrankreim) verdaftete DIE
Gensd’armerte auf der Landfiraße ein als Mann
verkleidetes Nädchen von 25 Jahren, das gerade
eine Dienſtmagd angefallen halte und mit fr
vang, um ihr 450 Fr. zu rauben, die ſie nach dem
nächſten Orte bringen folte. )
.. In England hat man feßt Ouldenfüde
zu 20 Silbergrofgen geſchlagen; man will dieſe
Stiücfe zur Baͤſts eines Deckhmal=Syftems machen-
Man wird Doppel-S6ulden zu 40 Sgar. prägen.
Der engliſche Gulden iſt demnach der zehnte Theit
eines Sovereign. Auch halbe Gulden wird man
yrägen, und Kupfermünzen zu 20 Farthings (4
rofden), und zu 10 Farthing (2 Orofchen).
Lach amtlichen Angaben beträgt die Ge-
fammi-Oberfläghe von Paris, in ſo Weit e6 {n=
nerhalb der Detroi-Linie liegt, 41, Quadrat=Meile,
die Zahl ver Straßen, Pläße und Durdhgänge
und die Geſammllänge aller
Siraßen beinahe 46 deutſche Meilen. Der Ouat
von Zemmappẽ iſt 3454, der Quai D’Drfay 3423,
der Yuat Valmy 3171 Meires lang. IU den
längſten Straßen gehören: die Univerfitätg=-Siraße,
2417 Metres ; die Straßen Vaugirard, 2143 M. ;
St. Maur Papincourt, 2223 M.; St. Dominique,
2429 M.; Grenelle St. Germain, 2251; Charen-
ton, 2080 Metres. Die Entfernung von der Stern»
Barriere bis zur Ihron-Barrieve betré‚(‚gt 8000
Metres oder eine deutfche Meile, die Länge der
elyſeeiſchen Felder vom Eintrachts⸗Platze bis zum
Triumpbogen 1810 Metres. Die verlängerte Ri-
voliſtraße wird 2200 Metres lang fein. ' N
‚. In den an Spanten gränzenden franzds
ſiſchen Departements werden die Stiergefechte ſet-
Sahrmarfig-Beluftigung zu St. Eiprit bei Bayonne
Statt
eingelaffen und fünf davon unter den lauten Bete
fallsrufen des Publicums von der Hand eines aus
Spanien verſchriebenen Matadors getödtet.
.. In der Nacht vom 20. auf Dden 21. Sepf.
riums von Marfeille, einen neuen Planeten m
Sternbilde der Fiſche! Es iſt der 20. der neuen
4 Planeten und der erlie in Frankreich ents
beckte.
Vorſchlag gemact, in Maffiltia zu nennen.
Nedigirt unter Verantwortlichkeit von @. Keichard.
Druck und Verlag von G. Re ich ard.