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Heidelberger Journal (65): Heidelberger Journal — 1871

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Nr. 127-151 (1. Juni - 30. Juni 1871)
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M 142.

^b0ttttcm<tttgp«ia fl. 1. 3 ft. in .£etfceI6erii
feurig bie ff* 1. 16 fr* öterteliäljrig.

Dtettfiag, 20. $uni.

|ln3tiflcn 3 fr. bie ^etitseile, bei 2lug!unft$<*
ertljeilung 4 fr.

1871.

^clcßröbbif^e S'tadjridjtett.

^ctlin, 17. 3>uni. 35ei bem heutigen ©ala*
nf3 ™ königlichen Schlöffe fprad) bet Kaifer fol*
genbc Jsorte: „Ser ©ebetif* unb ©hrentag, wcl*
«)cv bet SOBelt bag ©rjßanbbilb ßJtelneg töntgUdjen
-üatctö, bet fein Solf unb fjecr ju unoergängltchem
«rtu^mc führte, überliefern foßte, war beftimmt,
im tiefjlen gtteben begangen ju werben. Slnberö
tear aber oon ber SSorfcljung befdjloffen. ©in jroet*
leb 3Ral würbe Sreuffen berufen, wie batnalg, mit
feinen Sllltirtcn, fo je|t mit bem gefammten 3Deutfc^-
lanb ocrbuubcn, benjelben geittb, ber unb beraub*
gcforbert, ju bejwingen, oon Sieg ju @ieg, in
unbefannter ©röffe unb ^ubbauer. ber §ti-
matb haben aüe Klaffen, in beiben ©efcbledjtern,
ßd) in Opferfreubigfett unb 5fäcb(fenliebe überboten.
SBolf unb foeer fielen unübertroffen oor ber 2öelt.
®arum ergreife 3d) bag ©lag gegen SSolf unb
c ®er Äatfer nahm balb jum jwcltenmale

„3$ tveifye bte<5 ©la$ in £Danf barfett
bem SBoble beg jefct geeinten Scutfchlanbg, fowie
feiner SWonar^en unb gürften ber abwefenben wie
anwefenben."

— Sie „Kreujjettung" oerntmmt, baff ißrinj
Sllbre^t (Satcr) geßern faß am @d)luffe ber ©in-
juggfeierlicbfeiten oon einem glüdlicherweffe nur
leichten Sdjlaganfaß betroffen worben iff. ©rofffürft
Stlerig oon fRufflanb iff jum <5ptf beg 6. £ufarcn-
tegimentg ernannt.

UBien, 17. 3unt. Sag Subcomite ber unga*
rifeben ^Delegation Ifat bie ©rhöffung beg Sigpo*
fftiongfonbg alg ©ertrauengootum bewilligt, ba bie
^Delegation mit ber frteblidjen ©olitif beg 9tei<hg«
tanjlerg unb beffen SSunfche, mit Seutfchlanb unb
Italien ein guteg ©tnoernebmen ju unterhalten, ein*
Oerftanbcnfci. 3m Saufe ber Debatte erflärt@raf 23euff,
baff Defferreicb = Ungarn gegen Seutfcblanb feine
^)intcrgcbanfen ffege, nur auf ben 2Bmifd> fflreu*
ffeng würben nicht alle Sertreter an ben fübbeut*
feben £>öfen efngejogen, ber ©otfdwfterpoßen in
gftom bleibe mit 3«ffinimung Statieng aufrechtere
halten.

5f$ari§, 17. 3uni. 3Mc „©ertte" berietet, bie
ßttanjieße Sage mehrerer ©rebitinffitute fei erfdjüt*
tert, ber ©rebit ^tgrlcole ^abe ffarl gelitten, bet
©rebit gonctcr forbert 100 gr. per Slctie ein, nur
in ber Sage beg ©rebit Snbuffriet hat fiel) wenig
oeränbert.

Ser Kriegg*$ttnißer ©iffet) hat bie jfteorgani*
fation ber ©arbe fftepubUcatne befthloffen, welche

au bie Stelle ber Äaifetgarbe treten unb jweiffte-
gimenter SHauterie unb acht Sdjwabronen ©aoal*
lerie umfaffen foH. Saut bcm ©auloig hätte ©riuj
fRapoleott in ber ©harente ffarfe StugßcH, gewählt
ju werben.

üßerfaißcS, 17. 3uni. (©ational* ©erfamrn*
lung.) gaorc antwortet auf bag, wag ©alon ge*
ffern behauptet hat, unb fagt: „3* ging am 7.
September nach ©leau.r, nicht um über ben grie*
ben ju oerhanbeln, woju tdj Weber Sluftrag noch
fötacht hatte, fonbern um eine fftational=33erfamm-
lung jufammenjubringen. Slßerbingg gab Stg-
marcf mir bie eoentueüen griebengbebingungen an,
aber bag hatte mit meinem wirtlichen ßweefe nidjtg
ja thuu unb tonnte feine öffentliche 33erhanblung
jur golge haben."

gaore bebauert bie 3nbigcretton ©alon’g unb
bemertt baju: „9Belcher granjofe hätte bamalg
übrigens ben grieben angenommen unter ber S3c-
bingung ber ißreiggabe ©traffburgg, unfereg 3Boß-
merfg,' bag ^oc^^crgtg fein Slut für granfrefch
oergoff \"

gaorc wünfd)t eine ernfftiche Unterfu^itng ber
|)anblungen ber $ertheibigungg = 3ftegierung, aber
bie ©ercchtigfeit »erlange, baff bie Unterfuchung
aud) bie ©iänner erreiche, Wel^e »or bem .Kriege
bie Ctepräfentanten täufchten unb baburch graut*
reich jum Otnin führten. 2)ag ©efep über bag
Segnabigunggrccht wirb angenommen.

$l)ierg melbet, baff bie ffteoue wegen beg fchlech5
ten SBetterg oertagt wirb.

yfltncnj, 17. 3'ttti. ®er „ganfußa" jufolge
würbe ber englifche ©efanbte bemnachff eine Ur-
laubgveije antreten. ©erüchtwelfe oerlautet, baff
bcrfelbe für ben ©efanbtffhafterpoffen am SSerliner
£>ofe befflmmt fei.

— Ser „©ajette b’3tallc" wirb aug [Rom ge*
febvieben, bie Königin oon ©nglanb habe bem ipapffe
tefegrapbffcb mitgetbcilt, baff ffe JU ©bren feineg
3ubüäumg ein gefi »eranflaltet unb angeorbitef
habe, ben lß.3ull im gangen Königreiche ju feiern.
„Dpinione" erfahrt bejüglid) ber 33tifffott 0ertole*
SStale’g, baff geffern 2lbenbg ein ©etretar 3Cnto-
neßi’g ju bem ©cneral gefommen fei, ber bentfel*
ben bie ©erührtheit beg fßapffeg übet ben 2lft bet
©ouricofffe ©eiteng beg Königg SSictor ©manuel
auggebrüeft unb ihn gebeten hahe, bet bem Äonige
ber Solntetfch biefer ©efühle beg Sßapffeg ju fein;
ber ipapff habe bereits bie gefammte ihm jur 33cr-
fügung ffehenbe 3«lt mit bem ©mpfange ber Sepu*
tationen oergeben unb tonne baher Sertole*Stale
nicht empfangen, er betrachte nichtgbeffoweniger bie

SRifffon beffelbett alg erfüllt. Sertole iff he“,e
: früh nach glorenj jnrüdgefehrt.

IReut, 17. 3unt. 3m Satifan fitibct fortwäh-
renb ©mpfang ftatt. 3000 ffpilßer ffnb h^r ein*
| getroffen. Sie Sftube iff oollffänbfg. ©;ine Se-
I icmhtung finbet nicht ffatt. §eute, am 20. unb
i 21. b. iff ©mpfang beg btplomatifchen ©orpg.

| ©er ©tttjug ber ©rupffen in Berlin.

3Son aJtorij ©umbiner.

II.

3Bett über eine halbe SUtißion SDlenfcben ftnb auf ben
: Seinen; jeber grühjug noch bringt neue älnfömmlinge, bie
[ mit ©ad unb SacE, bei bem gängltdjen Sötangel an äöagen,
| }U guff ffch ihre SBohnung juchen muffen. $ag ©emühl
f unter ben Sittben, Bor bem Sranbenburger Jitore unb auf
! ber gangen ©iegegftraffe jpottet jeber Sefchreibung. llloch
f fahren jablreicbe Söagen hinburd), Sorbeerfränge in hodjae*
f thürmten Waffen etfheinen auf Xragbahren unb Sajtfubr*
, werfen, werben feilgeboten unb reiffenb abgelegt. Sie
! Stabt hat in ihrer gangen weiten ausbehnuttg ihr glängenb-
i fte« gefttleib angelegt: alle Käufer ffnb mit gähnen unb
! glaggen, bie me’iften, namentlich an ber ©iegegftraffe ober
■ in ber Umgehung ber Safernen ber betmfebrenben irup-
j pen, reich mit Slumen, Krängen unb tepptehen gefchmüdt.
t ßingelne Käufer, namentlid) bie unjerer gtoffen SnbuffrteU
; len ©erfon, öergog, SSorffg unb bie übrigen 2Jtafcbinen-.
1 fabrifen in ber Oranienburger Sorftabt ffnb prachtboll mit
j gabnen, SBappen unb gtoffen ©emälben becortrt. Ueber
oieie ©troffen gieffen ffch groffe Saubgewinbe mit Krängen
s unb Sannern guer hinburch- 3iie trug eine ötabt ein
; febönereg gefttleib. 31un Hingt unb fchallt Bo« allen ©ei5
ten iUtufft: bie ©ewerte unb ©orporationen, bie ©tubenten
! gteben mit gabnen unb ©mblemen an bie tbnen gugewiefes
nen Släffe. @g iff ein 3Bogen, ein Treiben, in welchem
ffch bie Saujenb unb aber laujenb einzelnen IRoinenie ber
Seranftaltung gu einem erffebenben ©efammtbilb gnfam*
menjiigen. 5<mte geben bie ab* unb guftrömenben 3Jten*
fchenmaffen bem ©angen erff ein erb&hteg Sehen.

Son 10 Uhr ab begann bie äufferff fdjwiertge 2lbfper-
rung ber ©iraffen; bie Soltgeifräfte reichten faum au<§, um
biefer unüberjehbaten SKaffen §ert gu werben. ©elbftBer*
ffänolid) war fein Slaff auf allen Sribtmen unbefefft, unb
es iff angunehmen, baff hier etwa 40,000 Serfonen unter*
gebradjt waren. Sie Jttbunen machten in ihrer rothen
Sraptrung, Bielfaih eingehegt Bon bem grünen Saub ber
Sämru-, einen pradffDoUen (SinbrucE, unb ein Wahrhaft im*
pofanteS SBiib gab ber Sffarifer iffiaff ab Hlur ein eingtgeS
■ÖauS war hier ohne jeben ©thmuef, Jene genfter waren
bicbt oerfihloffen, feine SKampe unbefefft — eS iff bas ©e*
bäube ber frangöfffchen ©eianbtfhaft. Seltfamer 3ufaU,
baff btefeS ^auS, ©runbbeffff be§ ältlichen §errn, bet un*
ter bem Xitel eineg Kaifetg ber gtangofen als fpribatmann
in ßhüelhurft ffch aufhält, 3euge ber giangoollen Vorgänge
fein muff, bie ffh heute hier entwideln unb beren Seran*
iaffung gum Ibeil hinter jenen Berjchloffenen genftern ge«
plant worben iff!

Slile genfter in ben Käufern an her SiegeSffraffe bis
hinauf gu ben Sächern waren mit ©chauluffigen befefft.
2luf allen ÜJtienen liegt bie ftdjibare greube, baS ©lüd,
Ben heutigen Sag erlebt gu haben. Sie fffeoue auf bem
Sempelhofer gelbe Bollgog ffch in ber üblichen Sßetfe. ; Set

I txm.

Sttdenfthaftlkk

(gortfeffung).

3lttna fonnte iffn in ihrer SBohnunci nicht em«
pfangen tntb hatte Ihm beffha^ t>le IRtchtung eine«
SBegeb hejcidfnet, auf bem fie mit ihm jufammen*
treffen woßte. 2ln bet ©lebelfelte be« ©chaufptel*
haufeS führte eine enge, finßere ©affe ootüher, bte
gut rechten ©eite Bon einer ©telnmauer, jur Uw-
len ©eite Bon einem Srctterjaun gehllbet Würbe,
hinter biefen ©infaffungen jogen ftd) ©arten hl«,
bie fe^t währenb bet falten 3ah««jeit ooflflanbig
»erobet unb menfchenleet lagen. Huch in ber ©affe
war fein SRenfd) fidjtbar, unb alg et biefelbc burch*
fchrltten patte, hefanb er fleh in einer Saumaßee,
He fleh länflS eineg breiten ©tabeng hinjog. 3u
einem ungefibrten Seifammenfeln fonnte eg feinen
paffenberen Ort geben, alg biefen.

©r blieh einen Slugenblicf flehen unb fpähete
umher, wie um ftd) i« «berjeugtn, ob nidjt hoch
itgenbwo ein laufdjenbeS Dhr oerborgen fet. 3lber
tinag umher lag bie ©egenb fliß unb einfam. Sag
SBajfet beg ht« unb ® ^ bebetften ®ra*

beug fehlte träge ba^tn. SDce Saume glifeerten
Pon ber leuchten ©^tteehuH«/ wcl^e 3»elge bebedte
unb auf welche bte ©ottnenftrahlen glanjenb nie*
berftelen. &n unb «lebet
bie blattlofen SBipfel, bann fdjüttclte fleh bie ©chnee*

f beefe oon biefem ober jenem 3o>efg ab unb wir*
” beite in btchten gloden jur ©tbe nteber. Sluch
eine Krälje flog hin unb wieber mit mifftönenbem
©efchrei über bie weiffen, fahlen gelber. Steg
waren aber auch bie einjigen 3ct^cn beg Sebeng,
welche bie ringg umher herrfchenbe ©tiße unb ©in*
famfeit unterbrachen.

3ufrteben mit feiner fßrüfung wanbte ber junge
3J?ann ßch wieber ber ©affe ju, um ju erforfdjen,
ob Slnua bereitg fidjtbar fei. 3« ber Shat ge*
wahrte er ihre fdjlanfe ©efialt in bemfelben Slu*
i genbltde, wo er in bie ©affe einbog. @ie trat
’ tafch unb lebhaft auf ihn ju:

„SBiflfommen, lieber ©bmunb!" rief fie mit
einem reijenben 8ädjeln, „oh, Sauf! taufenbmal
Sauf für 3h*e greunbitchfeit unb ©üte."

@le firedte ihm mit bem Stugbrud järtlihher
Eingebung beibe $anbe entgegen, ©r fühlte ben
leichten Srud ihrer jarten ginger unb ein wonnl*
geg ©efühl burfchauerte ihn. ^)atte er boch bie*
jenige, welche er über Slfleä liebte, nie fo jartlich
unb entgegenfommenb gefehen, alg heute.

w$aß Su Slßeg oorbereitet, lieber ©bmunb? Kon*
nen wir beute Slbenb abreifen?* fragte fie, alg
er in ber greube feineg ^>erjeng nicht fogleich SEBortc
fanb.

„«Sogleich, Slnna! wenn bu wlßfl/

Slnna fchüttelte ben Äopf, „3iieht gleich, bag

würbe ung nur fdjaben," faßte ße ernß. „3öag
ich bem «ßaWtfum oerfprochen, muff ich halten.
Slber heute älbenb in ber jehnten Stunbe erwarte
mich oor bem Schaufpielhaufe an ber Sluggangg*
Pforte für bie Sdjaufpieler 5 wenn eg fein fexnn
mit einem SBagen. 3^h werbe bann jur foforttgen
älbreife bereit fein. 3ß) nehme ni^tg mit, alg bie
nothwenbigflen Sefleibunggflüde unb bte fleine
Summe, welche ich mir erfpart habe. Selbfi meine
.fjarfe bleibt jurüd. Sie genügt mir nicht mehr.
3d> beabßchtfge, in ber nächßen gröfferen Stabt,
bie wir befugen, eine neue, flangooßere ju faufen.
Sann mufft Su auch unfere IJSaffc in Drbnung
bringen taffen. $ler," fehle fie in geheimniffoot*
lern Sone hln3u» inbem ße einige Rapiere in feine
|>anb legte, „Her ßnb meine Rapiere. Serfüge
Si^ bamit nach bem Solijeiamt unb laß meinen
fßaff oißren, bamit wir unangefochten reifen fönnen."

„Unb wohin?" fragte er.

„SSohin IDu wtßß, ich fagte eg Sir fc&on, baß
eg mir glefchgiltig fei. Sodj war’g mir am lieb-
ßen, fo weit fort, alg möglich- 2Bfr brauchen nicht
lange ju fahren, um bie nadjße ©ifenbahnßation
ju erreichen, boch werbe ich erß bann frei aufath*
men lonnen, wenn ich im ©oupe ßhe."

(gortfefeung folgt.)
 
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