232 Muͤller Vorleſungen
eher für Frankreich paſſen wuͤrde; denn wenn nicht davon
die Rede iſt, den Geiſt des Hoͤchſten und Vortreflichſten in
Kunſt und Erkenntniß aus allen Zeiten der Vergangenheit,
ſelbſt erkennend und bildend, neu zu beleben, ſondern nur
das allgemein Brauchbarſte der Gegenwart waͤhlend und an—
wendend in ſchnellen Umlauf zu ſetzen, ſo iſt wohl keinem Zweis
fel unterworfen, daß Frankreich durch ſeine geographiſche
Lage und politiſchen Verhaͤltniſſe, vor allen berufen ſey, der
Mittelpunet eines ſolchen Gedankenverkehrs zwiſchen England,
Italien, Spanien und Deutſchland zu ſeyn und zu werden.
Es iſt auch gar nicht zu zweiflen, daß die Franzoͤſiſche Litera⸗
tur vorzuͤglich dieſe Rolle uͤbernehmen wird, ſobald ſie nur
uͤberhaupt wieder energiſcher auflebt, und eine neue Epoche
beginnen kann, was bis jetzt durch die Richtung der beſten
Kraͤfte nach einer andern Seite hin, noch mehr aber durch die
Trennung aller einzelnen Theile der Erkenntuiß und der Kunſt,
verhindert wird. Denn wie möchte eine Literatur wohl kraͤf⸗
tig gedeihen, von der man die Wiffenfchaft ganz abſondern
will? — Mit allem dem if die Richtung der SFranzöfifchen
Literatur auf jenes Ziel in einzelnen Autoren und Producten
ſchon ſeit lange ſehr ſichtbar; und der zovnige Eifer der alten
literariſchen Zions-Waͤchter, die reine Beſchraͤnktheit des claſſi⸗
ſchen Jahrhunderts zu erhalten, beweißt nur, wie ſehr fie Urs
ſache zu haben glauben, die wachſende Neigung zu den vers
botenen Früchten des Auslandes zu bekaͤmpfen. Moͤchten aber
doch unſee Landsleute, beſonders die von der jetzigen juͤngern
Generation, nicht durch ein falſches Streben nach Univerſali—
kaͤt und vielſeitiger Bildung verleitet, ſo oft die eigentliche
Natur und den Beruf des Deutſchen verkennen! Nicht in
der Mitte, noch auf der Oberflaͤche iſt die Sphaͤre des
Deutſchen Geiſtes, ſondern die Tiefe it feine eigentliche Nez
gion, in der von jeher er herrſcht und alle andre HOLEN zu
übertreffen vermag.
Herr AM. Muller nennt die vermittelnde Kritik auch
eine verſoͤhnende, und hier ſtoßen wir vorzüglich auf die
eher für Frankreich paſſen wuͤrde; denn wenn nicht davon
die Rede iſt, den Geiſt des Hoͤchſten und Vortreflichſten in
Kunſt und Erkenntniß aus allen Zeiten der Vergangenheit,
ſelbſt erkennend und bildend, neu zu beleben, ſondern nur
das allgemein Brauchbarſte der Gegenwart waͤhlend und an—
wendend in ſchnellen Umlauf zu ſetzen, ſo iſt wohl keinem Zweis
fel unterworfen, daß Frankreich durch ſeine geographiſche
Lage und politiſchen Verhaͤltniſſe, vor allen berufen ſey, der
Mittelpunet eines ſolchen Gedankenverkehrs zwiſchen England,
Italien, Spanien und Deutſchland zu ſeyn und zu werden.
Es iſt auch gar nicht zu zweiflen, daß die Franzoͤſiſche Litera⸗
tur vorzuͤglich dieſe Rolle uͤbernehmen wird, ſobald ſie nur
uͤberhaupt wieder energiſcher auflebt, und eine neue Epoche
beginnen kann, was bis jetzt durch die Richtung der beſten
Kraͤfte nach einer andern Seite hin, noch mehr aber durch die
Trennung aller einzelnen Theile der Erkenntuiß und der Kunſt,
verhindert wird. Denn wie möchte eine Literatur wohl kraͤf⸗
tig gedeihen, von der man die Wiffenfchaft ganz abſondern
will? — Mit allem dem if die Richtung der SFranzöfifchen
Literatur auf jenes Ziel in einzelnen Autoren und Producten
ſchon ſeit lange ſehr ſichtbar; und der zovnige Eifer der alten
literariſchen Zions-Waͤchter, die reine Beſchraͤnktheit des claſſi⸗
ſchen Jahrhunderts zu erhalten, beweißt nur, wie ſehr fie Urs
ſache zu haben glauben, die wachſende Neigung zu den vers
botenen Früchten des Auslandes zu bekaͤmpfen. Moͤchten aber
doch unſee Landsleute, beſonders die von der jetzigen juͤngern
Generation, nicht durch ein falſches Streben nach Univerſali—
kaͤt und vielſeitiger Bildung verleitet, ſo oft die eigentliche
Natur und den Beruf des Deutſchen verkennen! Nicht in
der Mitte, noch auf der Oberflaͤche iſt die Sphaͤre des
Deutſchen Geiſtes, ſondern die Tiefe it feine eigentliche Nez
gion, in der von jeher er herrſcht und alle andre HOLEN zu
übertreffen vermag.
Herr AM. Muller nennt die vermittelnde Kritik auch
eine verſoͤhnende, und hier ſtoßen wir vorzüglich auf die