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1834.

9. HEIDELBERGER
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Dr. r^/orm. PunA III.
Luthers Opposition begann bekanntlich von Jen ungeheuren
Mifsbräuchen des Ablasses, also von einem unmittelbar sit-
tenverderblichen, aber, leider, sehr einträglichen, Uebel-
stand. Gerade dadurch verdient sein Eifer eine unablässige Dank-
bat heit, weil er nur durch die lebendigste Empfindung gegen das
Unsittliche zu seinen ernsten Forderungen, dafs die päbstliche
Autorität selbst die nüthigc Besseü&ng hervorbringen sollte, auf-
geregt worden war. Diese Mifsbräuche veranlagten ihn erst,
weil sie durch scholastische Dialektik vertheidigt wurden, auch
die Dogmen strenger zu prüfen, auf denen sie beruhen sollten.
Endlich aber mufste er an der Autorität des Kirchenoberhaupts
selbst zweifeln und verzweifeln , weil er von Demselben die der
Sittlichkeit unentbehrliche Verbesserungen zu erlangen umsonst
versucht hatte. Eben diesen Gang müfste die wahre Kirchen*
reformation auch jetzt noch nehmen, wenn die Geistlichkeit VOR
einem gleichen Eifer gegen das Unsittliche (z. B. des Eheverbots
für die Priester) und gegen alles der Religiosität des Volks Ver*
derhliche ganz durchdrungen und dadurch über alle Nebenrück-
sichten erhoben wäre.
Auch die Protestanten haben nichts nothiger, als immer an
jenen wahren, sittlichen Ursprung ihrer Reformation zu denken.
Nicht auf gelehrte Dogmenbestimmungen kam es an. Das in
unsrer Augsburger Confession Unentbehrlich-bleibende und Un-
abänderlich-symbolische (oder Kirchlich-unterscheidende)
besteht in den Artikeln gegen die Mifsbräuche. Um
diesen die Wurzel abzuschneiden, mufsten auch Lehrsätze ver-
bessert werden. War aber gleich die Antithesis nöthig und
richtig, so war es doch bei manchem Lehrpunkt noch allzuschwer,
ihn sogleich als Thesis vollständig zu berichtigen und in's Reine
zu bringen. Deswegen besteht unsre Kirche auf jenen Dogmen
nur, in sofern sie im Gegensatz gegen die Mifsbräuche
wahrhaft verbessert wurden, wenn sie gleich in andern Rück-
sichten nach Schrift und Vernunft noch mehrere Berichtigungen
XXVII. Jahrg. 3. Heft. 9
 
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