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N*. 57. HEIDELBERGER 1834.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Fr, von Rumohr, Novellen,
(Besch lufs.)
Man sieht, der Verf. wählte seinen Stoff so, dafs er nur
durch die Behandlung desselben, nicht durch seine Neuheit
und Originalität, zu wirken beabsichtigte. Und wirklich bewun-
dern wir mit Wohlgefallen die reine Natur, welche seine Kunst
in so engen Schranken vor unsern Augen zu entfalten gewufst
hat. Die Reize des Landlebens, dann, was das städtisch - bürger-
liche Leben Würdiges und daneben auch Unwürdiges zeugt und
ernährt, die segenreiche Einfalt des wohlhabenden und durch
Frömmigkeit gebildeten Bauernstandes , die ersten Regungen einer
unschuldigen Liebe, ihr Leid und ihre Freude, die gemeine und
die raffinirte Verdorbenheit der gröfsern Welt, die latente Sitt-
lichkeit eines Weltmenschen, die hohe Tugend in einem Palaste,
die doch nicht erhabener ist, als die Tugend im Bürgerhause
und in der Hütte des Landmanns, das alles ist mit grofser Wahr-
heit dargestellt, und wirkt um so mächtiger, je gehaltener und
besonnener die durchaus objektive, ruhige Sprache des Dichters
ist, in deren stillem Spiegel sich Schuld und Unschuld mit glei-
cher Klarheit abbildet. Dies ist jedoch nicht so zu verstehen,
als ob in der Tendenz des Ganzen jene ästhetische Gleichgültig-
keit gegen Moral und Sitte herrschte, die eine Zeitlang von der
modernen Kunstlehre für poetische Darstellungen des Lebens
reklamirt worden ist, und sich auch in manchem sonst keineswegs
verwerflichen Dichtweike ausgeprägt hat. Vielmehr stellt diese
Novelle nicht nur den Sieg der Gesinnung dar; sie ist selbst auch
ein Sieg der Gesinnung. Sie bezweckt, und scheut sich dieser
Absicht nicht, die Rührung hervorzubringen, welche der Sieg
der Tugend bei jedem nicht sittlich verkrüppelten Zuschauer her-
vorruft. Aber sie erreicht diesen Zweck mit rein ästhetischen
Mitteln, und das ist das Poetische an der Sache.
Der Raum, den diese Anzeige einnehmen darf, erlaubt nur
wenige und kurze Proben; doch dürfen sie nicht ganz fehlen.
Schilderung Mariens (S, 17.): »Sie war kein gewöhnliches, hüb-
sches Mädchen; dem gemeinen Sinne fiel ihre Schönheit w enig
XXVII. Jahrg. 9. Heft. 57
 
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