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Gaudy, Korallen.
Kor allenjvon Franz Freiherrn Gaudy. Glogau, 1834. Verlag von
Karl Flemming. 8. 187 S.
Der Yerf. erklärt und rechtfertigt den Titel dieser Gedicht-
sammlung mit folgenden Versen, die anstatt aller Vorrede die-
selbe bei den Lesern einführen :
Gleich dem Taucher in der Glocke stieg ich in der Träume Nacht;
Nur Korallen, keine Perlen, hab’ ich mit ans Land gebracht.
Wenn verschieden gleich an Gröfse, wie an Farbe mein Gewinn —
Zieht ein Faden doch, die Liebe, sich durch alle Körner hin.
Dieser hübsche Spruch giebt ein gutes Augurium für die ganze
Sammlung, welches den Leser auch nicht täuscht. Wir begegnen
hier endlich keinem Sänger aus He ine’s Schule, der nicht blos
durch humoristische Mifsklänge, die mitten unter die sentimen-
talen Akkorde hineinschreien, diesen originalen Geist nachahmt,
sondern durch Neuheit der Erfindung im Stoffe seiner Lieder,
durch Eigenthümlichkeit der Phantasie und die dadurch bedingte
Bilderfrische, endlich durch Stärke der Empfindung, wo diese
hervorbricht, seine Geistesverwandtschaft mit jenem Dichter beur-
kundet, und seine eigne Persönlichkeit, mit wenigen, vom Ref.
später zu bezeichnenden Ausnahmen, zu behaupten versteht. Von
einem solchen Talente läfst man sich’s denn auch gefallen, wenn
es, wie sein Vorbild, im Bewufstseyn der vorherrschenden Dich-
terkraft, die Form absichtlich vernachlässigt, um jene desto stär-
ker hervortreten zu lassen, und wenn sein breiter Pinsel hier
und da mit Strichen malt, die in der Nähe zuweilen wie Rlekse
aussehen.
Die erste Korallenschnur von dreien bezeichnet der Dichter
durch die Inschrift: »der Liebe Loos,« und leitet sie, die Ver-
gleichung verlassend, durch »das Stimmen der Saiten« also ein:
Altes Thema will ich singen nur mit Schnörkeln neu verbrämt:
Wie ein Jüngling herzlich liebt, wie er schmerzlich 6ich gegrämt;.
Wie ein Mädchen wieder liebte, wie sie Wort und Treue brach —
Diesen alten Text mit frischen Noten weist mein Büchlein nach.
Die Noten sind wirklich frisch, jugendlich kräftige Lebensbilder.
Zu den gelungensten Liedern dieses Abschnitts rechnen wir:
»Aniela« (S. 4<) > das eine reizende und reine Schilderung ent-
hält; »der Traum im Traume« (S. 17.), in welchem sich die
freie Phantasie des Dichters in hellem Farbenspiele zeigt, und
wo nur der Ausdruck : »es berst't der Erde Schoos“ stört, wäh-
rend die grammatische Analogie »birstK nicht nur erlaubt, son-
dern, nach Adelung, geboten hätte; »Aniela’s Thränen,« wo Em-
Gaudy, Korallen.
Kor allenjvon Franz Freiherrn Gaudy. Glogau, 1834. Verlag von
Karl Flemming. 8. 187 S.
Der Yerf. erklärt und rechtfertigt den Titel dieser Gedicht-
sammlung mit folgenden Versen, die anstatt aller Vorrede die-
selbe bei den Lesern einführen :
Gleich dem Taucher in der Glocke stieg ich in der Träume Nacht;
Nur Korallen, keine Perlen, hab’ ich mit ans Land gebracht.
Wenn verschieden gleich an Gröfse, wie an Farbe mein Gewinn —
Zieht ein Faden doch, die Liebe, sich durch alle Körner hin.
Dieser hübsche Spruch giebt ein gutes Augurium für die ganze
Sammlung, welches den Leser auch nicht täuscht. Wir begegnen
hier endlich keinem Sänger aus He ine’s Schule, der nicht blos
durch humoristische Mifsklänge, die mitten unter die sentimen-
talen Akkorde hineinschreien, diesen originalen Geist nachahmt,
sondern durch Neuheit der Erfindung im Stoffe seiner Lieder,
durch Eigenthümlichkeit der Phantasie und die dadurch bedingte
Bilderfrische, endlich durch Stärke der Empfindung, wo diese
hervorbricht, seine Geistesverwandtschaft mit jenem Dichter beur-
kundet, und seine eigne Persönlichkeit, mit wenigen, vom Ref.
später zu bezeichnenden Ausnahmen, zu behaupten versteht. Von
einem solchen Talente läfst man sich’s denn auch gefallen, wenn
es, wie sein Vorbild, im Bewufstseyn der vorherrschenden Dich-
terkraft, die Form absichtlich vernachlässigt, um jene desto stär-
ker hervortreten zu lassen, und wenn sein breiter Pinsel hier
und da mit Strichen malt, die in der Nähe zuweilen wie Rlekse
aussehen.
Die erste Korallenschnur von dreien bezeichnet der Dichter
durch die Inschrift: »der Liebe Loos,« und leitet sie, die Ver-
gleichung verlassend, durch »das Stimmen der Saiten« also ein:
Altes Thema will ich singen nur mit Schnörkeln neu verbrämt:
Wie ein Jüngling herzlich liebt, wie er schmerzlich 6ich gegrämt;.
Wie ein Mädchen wieder liebte, wie sie Wort und Treue brach —
Diesen alten Text mit frischen Noten weist mein Büchlein nach.
Die Noten sind wirklich frisch, jugendlich kräftige Lebensbilder.
Zu den gelungensten Liedern dieses Abschnitts rechnen wir:
»Aniela« (S. 4<) > das eine reizende und reine Schilderung ent-
hält; »der Traum im Traume« (S. 17.), in welchem sich die
freie Phantasie des Dichters in hellem Farbenspiele zeigt, und
wo nur der Ausdruck : »es berst't der Erde Schoos“ stört, wäh-
rend die grammatische Analogie »birstK nicht nur erlaubt, son-
dern, nach Adelung, geboten hätte; »Aniela’s Thränen,« wo Em-