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Altfranzösische Literatur.

wird von den Neuern berichtet, sie verwandeln sich alljähr-
lich auf einige Tage in Wölfe und werden dann wieder zu
Menschen. Ein solcher Mensch heifst IvxavSQ&noc, welchem
Worte genau das angelsächsische verevulf entspricht, wor-
aus denn das noch übliche „Werwolf“ entstanden ist. Das
Zaubermittel ist nach der ältesten deutschen Vorstellung in
der Regel das Überwerfen eines Wolfsgürtels oder Wolfs-
hemds. Mit der Gestalt erhält man zugleich das Wilde und
Unbändige des Thiers. In einer hessischen Volkssage £man
sehe dieselbe sowie, vieles Hierhergehörige, bei Grimm
deutsche Mythol. S. 620 ff.) verwandelt sich ein armes Weib
je und je in einen Wolf, um Fleisch für ihren Tisch zu er-
jagen. Als sie die Wolfsgestalt verläfst, steht sienackt da.
Der Bitte Melions, ihm seine Kleider wohl zu verwahren,
entspricht die in einer äsopischen Fabel, die von einer ähn-
lichen Verwandlung handelt (bei Furia 423): foopou oov, Iva
tfianot fuov. Derselbe Zug findet sich in dein Lai
du Byclavaret der Marie de France (I, 1780. Roquef.), wel-
ches überhaupt verglichen zu werden verdient.
Wir geben zum Schlüsse noch kurz den Inhalt des lai
del trot an. Lorois, ein Ritter zur Zeit des Königs Artus
auf dem Schlosse Morois lebend, reitet meist im April über
die beblümten Wiesen, um die Nachtigallen zu erlauschen,
die er seit einem Jahre nicht mehr gehört. Da begegnen
ihm auf einmal seltsame Erscheinungen. Schaaren von Jung-
frauen und Frauen auf schönen Zeltern reiten umher, schön
gekleidet, voll Lust und Freude, denn jeder reitet ihr Lieb-
ster zur Seite. Später kommen andere Schaaren einsamer
Weiber und Männer, die in häfslichein Aufzuge unter Sturm
und Schnee auf garstigen Kleppern athemlos einhertrotten
müssen — daher der Titel Eine der alten Frauen deutet
dem Erstaunten das Wunder. Die auf den schönen Pferden
sind die, so im Leben der Liebe gedient, die andern die,
welche sie verachtet haben. Jenen bereitet Gott Amor ewige
Wonne, ewige Jugend und Frühling, diesen Pein, Alterund
Winter. Der Dichter verkündet dies zur Warnung der sprö-
den Frauen. Bei der Schilderung der Unglücklichen wird
man an die ähnliche im fünften Canto von Dantes Hölle er-
innert, wo die lussuriosi von der buß'era infernal aufs grau-
samste in ewigem Sturm umherjagen. Da sich auch sonst
noch Spuren von der in unserem Lai ausgesprochenen Vor-
stellung finden, wäre es nicht unmöglich, dafs Dante in spre-
chender Rücksicht auf dieselbe gerade den unbedingten Ver-
ehrern der Minne eine ähnliche Peinigung zugedacht hätte.
Die Ausgabe ist typographisch sehr schön ausgestattet.
Im Ganzen wurden nur 150 Exemplare gedruckt, wovon 1
auf Pergament, 9 auf chinesisches, 15 auf holländisches, 125
auf Velinpapier. I)r. Keller in Tübingen.
 
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