DOI Heft:
Nr. 52
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.43434#0337
Nr. 52. HEIDELBERGER 1851.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Drobiscli und Volkinanii! Heber mathematische
, Psychologie.
(Schluss.)
Sofern nun die Grade des Gegensatzes und die Intensitäten der Vor-
stellungen als Grössen betrachtet werden dürfen, die sich in Zahlen aus-
drücken lassen, so muss es für jede von mehrern gleichzeitig gegebenen
entgegengesetzten Vorstellungen eine bestimmte Grösse der Hem-
mung geben, bei welcher das Widerstreben gegen dieselbe der von den
entgegengesetzten Vorstellungen ausgehenden Nöthigung dazu gleich ist.
Tritt diese Gleichheit zwischen Nöthigung und Widerstreben für alle gege-
benen Vorstellungen gleichzeitig ein, so ist zur Veränderung der Hem-
mung keine Ursache mehr vorhanden, so ist Gleichgewicht oder Ruhe
unter diesen Vorstellungen. Der Uebergang aus dem ungehemmten Zustand
in den irgendwie gehemmten muss stetig sein, weil das Widerstreben der
Vorstellungen, welches mit der wirklichen Hemmung zunimmt, nicht um-
hin kann, die Wirkung der Nöthigung zur Hemmung zu verzögern. Dieser
Uebergang zeigt sich in der Veränderung der Klarheit der Vor-
stellungen und wird Bewegung genannt, wobei selbstredend an
r ä u m 1 i c h e Bewegung nicht zu denken ist. Es gibt nur zwei einander
entgegengesetzte Arten von Bewegungen der Vorstellungen, weil nur
Abnahme oder Zunahme der Klarheit der Vorstellungen gedenkbar ist.
Man bezeichnet sie anschaulich jene als Sinken, diese als Steigen
der Vorstellungen. Dagegen sind unzählig viele Verschiedenheiten
für die Geschwindigkeit dieser Bewegungen und für die Aende-
rung der Geschwindigkeit denkbar. Hiernach hat die mathematische Psy-
chologie zweierlei Untersuchungen anzustellen: für jede Anzahl gleichzeitig
gegebener Vorstellungen von bekannten Intensitäten und Graden ihrer Ge-
gensätze sind: 1} die Grössen der Hemmung zu bestimmen, bei denen
sie sich im Gleichgewicht befinden, 2) die Bewegungsgeselze, nach de-
nen sie sinken und steigen; bei weiterer Fortführung ist beides nicht blos
für einfache Vorstellungen zu berechnen, sondern auch für irgendwie zu-
sammengesetzte. Die erste Klasse von Untersuchungen trägt den Namen
psychische Statik, die andere den der psychischen Mechanik,
wiewohl man mit Mechanik oder Dynamik auch beiderlei Untersuchungen
zusammenfasst.
XLIV. Jahrg. 6. Doppelheft. 52
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Drobiscli und Volkinanii! Heber mathematische
, Psychologie.
(Schluss.)
Sofern nun die Grade des Gegensatzes und die Intensitäten der Vor-
stellungen als Grössen betrachtet werden dürfen, die sich in Zahlen aus-
drücken lassen, so muss es für jede von mehrern gleichzeitig gegebenen
entgegengesetzten Vorstellungen eine bestimmte Grösse der Hem-
mung geben, bei welcher das Widerstreben gegen dieselbe der von den
entgegengesetzten Vorstellungen ausgehenden Nöthigung dazu gleich ist.
Tritt diese Gleichheit zwischen Nöthigung und Widerstreben für alle gege-
benen Vorstellungen gleichzeitig ein, so ist zur Veränderung der Hem-
mung keine Ursache mehr vorhanden, so ist Gleichgewicht oder Ruhe
unter diesen Vorstellungen. Der Uebergang aus dem ungehemmten Zustand
in den irgendwie gehemmten muss stetig sein, weil das Widerstreben der
Vorstellungen, welches mit der wirklichen Hemmung zunimmt, nicht um-
hin kann, die Wirkung der Nöthigung zur Hemmung zu verzögern. Dieser
Uebergang zeigt sich in der Veränderung der Klarheit der Vor-
stellungen und wird Bewegung genannt, wobei selbstredend an
r ä u m 1 i c h e Bewegung nicht zu denken ist. Es gibt nur zwei einander
entgegengesetzte Arten von Bewegungen der Vorstellungen, weil nur
Abnahme oder Zunahme der Klarheit der Vorstellungen gedenkbar ist.
Man bezeichnet sie anschaulich jene als Sinken, diese als Steigen
der Vorstellungen. Dagegen sind unzählig viele Verschiedenheiten
für die Geschwindigkeit dieser Bewegungen und für die Aende-
rung der Geschwindigkeit denkbar. Hiernach hat die mathematische Psy-
chologie zweierlei Untersuchungen anzustellen: für jede Anzahl gleichzeitig
gegebener Vorstellungen von bekannten Intensitäten und Graden ihrer Ge-
gensätze sind: 1} die Grössen der Hemmung zu bestimmen, bei denen
sie sich im Gleichgewicht befinden, 2) die Bewegungsgeselze, nach de-
nen sie sinken und steigen; bei weiterer Fortführung ist beides nicht blos
für einfache Vorstellungen zu berechnen, sondern auch für irgendwie zu-
sammengesetzte. Die erste Klasse von Untersuchungen trägt den Namen
psychische Statik, die andere den der psychischen Mechanik,
wiewohl man mit Mechanik oder Dynamik auch beiderlei Untersuchungen
zusammenfasst.
XLIV. Jahrg. 6. Doppelheft. 52