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Nr. 33. HEIDELBERGER 1854.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Frauenstädts Aesthetisclie Fragen.

(Schluss.)
Der Hr. Verf. beschränkt diese paradoxe Behauptung durch den
Beisatz, dass dieses nur dann der Fall sei, wofern sie natürlich, aus
innerer Nothwendigkeit entsprungen seien. Also nicht der Neid an
sich gefällt uns, nicht die Rache an sich, nicht die Wohllust an sich,
nicht das Martern eines Unschuldigen an sich, sondern nur dann,
wenn solche Erscheinungen natürlich, aus innerer Nothwendigkeit ent-
sprungen sind. Heisst diess nicht das wieder mit einer andern Hand
zurücknehmen, was man mit der einen gibt? Werden solche Zu-
stände je natürlich, je aus innerer Nothwendigkeit entsprungen sein?
Wenn dieses wahr wäre, dann wäre es in gewissen Fällen nicht
unmoralisch, Neid, Wohllust, Hass, Rache u. s. w. zu zeigen; sie
dürften nur aus innerer Nothwendigkeit entspringen. Ist die Impu-
tation für das denkbar, was aus innerer Nothwendigkeit entspringt?
Die Vollkommenheit bezeichnet der Hr. Verf. als die Ueberwin-
dung der Materie durch die Form. Weil aber die Form hässlich sein,
und auch die vollkommenste Durchdringung der Materie durch die
Form noch keine Schönheit geben kann, wenn die Form hässlich ist,
so muss zwar das Schöne vollkommen sein, wie es dieses auch natür-
lich sein muss, während aber nicht alles Natürliche und Vollkommene
immer schön ist. So erscheinen Natürlichkeit und Vollkom-
menheit nur als mit dem Schönen verwandte, aber nicht als mit
demselben gleich bedeutende Begriffe.
Die fünfte Abhandlung ist „Allgemeingültigkeit des
ästhetischen Uriheils“ überschrieben (S. 53—67). Das Ge-
schmacksurtheil wird als von dem ästhelischon Uriheile dadurch ver-
schieden dargeslellt, dass dieses kein rein subjectives, individuelles
ist, welches aller objectiven Allgemeingültigkeit entbehrte, sondern, wie
die objectiven Erkennlnissurtheile, Allgemeingültigkeit hat. Das, was
im ästhetischen Uriheile erkannt wird, ist das Verhältniss der Er-
scheinung eines Wesens zu seiner Idee. Die Idee oder das Ur-
bild des Dinges ist aber in allen Dingen einer Gattung unverän-
derlich dieselbe. Darum müssen auch Alle in dem ästhetischen
Uriheile, da dieses sich nur an die Idee hält, übereinstimmen. Es
gehört dazu „ein inneres Verständniss“, welches „in das Wesen der
Dinge dringt“, und die Erscheinungen „von Innen heraus“ versteht
(S. 57). Die Klugheit muss bei der Erfahrung in die Schule
gehen, da jene es mit Erkenntniss der äusseren Beziehungen der
Dinge zu thun hat, und eine solche nur durch Erfahrung erworben
wird. Die Erkenntnis der Ideen findet in anderer Weise statt. Das
Erkennen des Wesens der äusseren Erscheinungen, also der Ideen,
LXVII, Jahrg. 4, Doppelheft. 33
 
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