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Nr. 25. HEIDELBERGER 1856.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Gaupp: Lex Francorum Chamavorum.
(Schluss.)
War aber, wie nach der L. Ripuaria für das ostfränkische Volks-
recht feststehet, den Söhnen, (und auf entferntere Grade der Ver-
wandtschaft haben wir hier keine Veranlassung, unsere Untersuchung
auszudehnen) ein Vorzug vor den Töchtern nach dem gemeinen
fränkischen Volksrechte in der Art eingeräumt, dass sie einen ge-
wissen und seiner Natur nach den regelmässig wichtigsten und be-
deutendesten Erbschaftsgegenstand, das Familienerbegut oder die
hereditas aviatica, für sich ausschliesslich in Anspruch nehmen durf-
ten, so war damit schon die weitere geschichtliche Entwickelung
und Fortbildung dieses Erbschaftsprinzipes, namentlich in den Fa-
milien der Leudes, von selbst angebahnt. Es musste bald dahin
kommen, dass die Söhne die ganze hereditas ohne Unter-
schied beanspruchten: namentlich musste sich hierzu eine grosse
Neigung finden, wo sich eine Klasse der Freien als ein ritterli-
cher Feudaladel zu entwickeln anfing. Eine Fortbildung des
altfränkischen Erbrechtsprinzipes, d. h. eine Ausdehnung des von
Alters her bezüglich der Succession in die terra Saliga oder here-
ditas aviatica bestandenen Vorzuges der Söhne vor den
Töchtern auf die gesammte Hinterlassenschaft, die
,,tota hereditas“ (im Gegensätze zu der „tota terrae hereditas“
der Lex Saliga emendata) ist es nun aber, was das chamavische
Weisthum Cap. 42 berichtet. Dabei wird die Succession in die Hin-
terlassenschaft der Mutter, welche sowohl die Lex Saliga als die
Lex Ripuariorum nicht von der Succession in das Vermögen des
Vaters unterscheidet, sondern unzweifelhaft nach denselben Grund-
sätzen behandelt, in dem chamavischen Weisthume getrennt
besprochen. Der erste Satz des Cap. 42 handelt von der Hinter-
lassenschaft des Vaters, welcher dem Stande der homines Franci
angehört, und bezüglich dieser väterlichen hereditas erfahren wir,
dass die Söhne alles erben, was er hinterlässt, Wald und ande-
ren Grundbesitz (silva et terra ohne Einschränkung, nicht bloss mehr
etwa nur die terra Saliga oder aviatica), und dazu die mancipia
und das pecülium, welches Wort hier offenbar, wie Gaupp rich-
tig bemerkt, „bewegliches Vermögen“ bedeutet, und daher wohl
auch durch UDgenauigkeit des Schreibers anstatt „pecunia“ hieher
gesetzt und in solcher Weise zu emendiren ist. Hiernach kann es
keinem Bedenken mehr unterliegen, wie das bereits erwähnte, all-
gemein als corrupt anerkannte Wort „duos“ im ersten Satze des
Cap. 42 des chamavischen Weisthumes zu emendiren ist. Ich lese
daher Cap. 42: „Si quis Francas homo habuerit filios, tot am he-
XLIX, Jahrg. ö, Heft. 25
 
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