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Nr. 24.

HEIDELBERGER

1857

JAHRBÜCHER DER LITERATDR.

Das deutsche Stammgutssystem nach seinem Ursprünge und seinem
Verlaufe, von Dr. Ludwig Zimmerte. Tübingen 1857.
Ein tiefer, eingenthümlicher Zug des älteren deutschen Rechts
ist die hohe Bedeutung des Grundeigentums und dessen inniger
Zusammenhang mit dem gesammten Erb- und Familienrechte. Das
ganze Rechtsleben des deutschen Mittelalters ist von diesem Princip
durchzogen, wenn es auch zu verschiedenen Zeiten und bei ver-
schiedenen Stämmen in abweichender Form auftritt. Mit dem Ende
des Mittelalters verliert dieses Princip an Kraft und Bedeutung und
verschwindet allmälig aus dem gemeinen deutschen Rechtssystem.
Man gibt die Zerstörung dieses Princips oft lediglich dem rö-
mischen Rechte Schuld. Allein wäre das ältere deutsche Recht,
welches den Grundbesitz in innigste Beziehung zur Familie brachte,
noch in voller ungeschwächter Kraft gewesen , so würde eine Re-
ception der widersprechenden römischen Grundsätze unmöglich ge-
wesen sein; aber die Entwickelung des deutschen Rechts neigte be-
reits von selbst zur Lösung des Grundbesitzes von dem Familien-
verbande hin, es strebte nach Gleichsetzung der Liegenschaften mit
der Fahrniss, ein Entwicklungsgang, welcher die Folge jedes gestei-
gerten städtischen Verkehrs ist. Die Stadtrechte des 14. und 15.
Jahrhunderts beschränken oder beseitigen die Rechte des nächsten
Erben an dem Grundbesitze und ziehen denselben immer mehr in
den freien Verkehr. Das römische Recht beförderte nur seit seiner
Aufnahme diese bereits selbstständige angestrebte Umbildung des
deutschen Rechts.
Diese so vom römischen Rechte beförderten modernen Ver-
kehrsprincipien kamen in Deutschland im allgemeinen überall
zum Siege, nur in einzelnen Rechtsinstituten singulärer Natur blie-
ben noch Spuren des altgermanischen Rechtsprincips stehen, welche
gewissermassen wie Ruinen des Mittelalters aus unserm modernen
Rechtsleben emporragen—so insbesondere der Retract, das bür-
gerliche Erbgut u. s. w.
Auf wunderbare Weise sind endlich die altgermanischen Prin-
cipien von der Doctrin des 17. Jahrhunderts zu einem modernen
Rechtsinstitute, dem Familienfideicommiss, umgearbeitet und
wenigstens äusserlich in ein römisches Gewand eingekleidet worden.
Das Familienfideicommiss, als modernes Rechtsinstitut, ist nicht
nur theoretisch eines der interessantesten Probleme für die Wissen-
schaft, sondern auch noch für die Gegenwart von hoher practischer
Bedeutung. Während alle andern Ueberreste des deutschen Stamm-
gutsprincips, wie z. B. der Retract, das bürgerliche Erbgut, im Ab-
L. Jahrg. 5. Heft. 24
 
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