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Nr. 12. HEIDELBERGER 1858.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Lotze: Allgemeine Physiologie etc.

(Schluss.)
Dazu verwickelt sich Lotze noch in einen weiteren Widerspruch,
welchen man fast a priori bestimmen kann: wenn er nämlich das psychi-
sche, metaphysische Leben der Monaden schildert, so legt er diesen seeli-
sche Bewegtheit und Veränderlichkeit, Spontaneität, Bewusstheit u.s. w.
bei; wenn er sie dagegen als die Grundlage des Naturlaufs betrach-
tet, so sinkt dieses seelische Leben zu einer starren physikalischen
Qualität herab, wie wir aus seiner Kritik der Fechner’schen Ato-
mentheorie und aus der Streitschrift gegen Fichte sehen. Gegen den
ersten macht er qualitative Verschiedenheit, gegen den zweiten phy-
sikalisch mechanische Nothwendigkeit geltend. Auf diesem Gebiete,
nämlich in der Anschauung von dem Wesen der Atome, wie dem
der Seele scheint mir der vortreffliche Kraftbegriff Lotze’s, welchen er
Fichten gegenüber aufstellt und vertheidigt, gegen ihn selbst conse-
quent durchgeführt werden zu müssen. Er verurtheilt seinen eige-
nen metaphysischen Idealismus, wenn er gegen den Ideal-Realismus
Fichte’s und dessen Anschauungsweise von dem wahren, transscen-
denten Wesen der Atome in seiner Streitschrift polemisirt. Hier
tritt sein Idealismus ganz in den Hintergrund, hier vertheidigt er
seinen Realismus als eine physikalisch mechanische Anschauungs-
weise (S. 15—60), dem spekulativen Idealismus Fichte’s gegenüber.
Er mochte sich hier besonders seines Realismus bewusst werden,
weil Fichte gegen diese Differenz hauptsächlich seine Angriffe richtet.
Fichte wirft nämlich dem physikalisch mechanischen Atomismus
vor, dass dieser sich durch seinen innern Widerspruch selbst auf-
hebe, indem er die Atome als den Grund aller Veränderungen be-
trachte, dagegen wo er solche vorfinde, sie dennoch nur durch die
lebendige Wechselwirkung abstrakter Molekularkräfte vollziehen lasse.
Lotze entgegnet aber, dass die abstrakten Kräfte nur als eine „Ab-
kürzung des Sprachgebrauchs“ anzusehen seien (Str. S. 36 und 37);
dass „ihre Bewegung nur diejenige Seite ihres Verhaltens sei, durch
welche sie im Context der Erfahrung uns bemerkbar werden“ (S. 44).
Dadurch aber sei noch nichts über die wahre Natur ihres Substrates
entschieden. — Man braucht nur diesen trefflichen Kraftbegriff auch
auf das Wesen und Substrat der Atome, der Dinge, der Seele an-
zuwenden, und Lotze ist durch sich selbst berichtigt. Hier steht
er auf dem Standpunkt der induktiven Logik; hier ist ihm das Ge-
LI. Jahrg. 3. Heft. 12
 
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