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Nr. 31. HEIDELBERGER 1860.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Zeitschrift für exacte Philosophie im Sinne des neuern philosophi-
schen Realismus. In Verbindung mit mehreren Gelehrten her-
ausgegeben von Dr. F. H. Th. All ihn und JDr. T. Zitier.
Band I.} Heft 1. Leipzig, Louis Pernitzsch, 1860. VIII u.
99 S. 8.
Exacte Wissenschaften sind die mathematischen und die Natur-
wissenschaften, in so weit sie sich auf eine mathematische Grund-
lage zurückführen lassen. Vorliegende Zeitschrift versteht unter der
exacten Philosophie die Herbart’sche, oder die auf der Grundlage
Her bart’s weiter fortbauende Philosophie, weil die letztere für ihre
philosophischen Forschungen und zwar besonders für die psycholo-
gischen eine mathematische Grundlage festbält. Referent gesteht,
dass ihn das Studium der Herbart’schen Philosophie von der Rich-
tigkeit einer solchen Grundlage nicht überzeugt hat, und dass nach
seinem Dafürhalten die Principien der Mathematik sich weit eher
auf die formelle Logik, als auf das Wesen des freien Menschen-
geistes anwenden lassen, der diese seine ihm ursprüngliche, durch
keine mathematische Formel festzustellende Freiheit nicht nur im
Erkennen für die theoretische, sondern auch im Wollen und Han-
deln für die praktische Philosophie bethätigt. Philosophie ist Liebe
zur Weisheit und kann als ein Streben nach der ganzen und voll-
kommenen Wahrheit, so lange sie Streben ist — und dieses bleibt
sie für alle endlichen Wesen — so wenig im Sinne der Her-
bar t’schen Schule eine exacte, als im Sinne der Hegel’schen
eine absolute Wissenschaft genannt werden. Auch sind Vorstel-
lungen nicht das einzige Wesen unseres Geistes, der sich von den
Vorstellungen als ein Anderes, Freies unterscheidet, und Gefühle
und Begehrungsrichtungen können nicht als blosse Modifikationen
der Vorstellungen angesehen werden.
Wenn man übrigens auch nicht unbedingt der mathematischen Phi-
losophie der H e r b a r t’schen Schule beistimmen kann, so sind doch die
Verdienste derselben gegenüber der einseitigen Entwickelung des He-
gelianismus im hohen Grade anzuerkennen. Kein System, wie die-
ses, hat in unserer Zeit mit grösserem Erfolge die einseitigen Ge-
brechen des Idealismus, wie sich dieser durch Fichte, Schel-
ling und Hegel entwickelte, zum Bewusstsein gebracht und be-
kämpft. Gegenüber dem Verschweben und Verschwimmen in einem
Nicht- oder Unbegriff, welcher die Subjectivität und Objectivität auf-
hebt, und als ein an sich Inhaltleeres die absolute Idee oder Gott
sein soll, hat es das Sein als ein Sein der Einzelnheiten dargestellt
und scharfsinnig begründet, und den Boden der Erfahrung, auf wel-
MI Jahrg. 7. Heft. 31
 
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