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Heidelberger Jahrbücher der Literatur — 54,2.1861

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Nr. 32
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https://doi.org/10.11588/diglit.44542#0031
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Rogge: Aus Westminster-Abtei.

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gefällige Abwechslung, wobei der Grundton des Ganzen ununter-
brochen bleibt, den Leser, der ihm folgen will, sehr ansprechen.
Der Stoff scheint uns für einen Dichter, der es versteht, geschicht-
liche Gestalten in ihrem Sinn zu erkennen, durch warme Empfin-
dung die Vergangenheit wiederzubeleben und solche Bildungen durch
den dichterischen Gedanken in die Tageshelle des Geistes zu stellen,
das Ganze aber in edler, schwungvoller Stimmung gleichmässig zu
tragen, aber auch nur für einen so begabten Dichter scheint uns
der gewählte Stoff günstig zu sein. Die Königs- und Heldengräber
zu Westminster, wo auch die Ruhestätte mancher geschichtlich denk-
würdigen Frauen sich findet, — auf Gruppen dieser Art aus jenem
erinnerungsreichen Mausoleum hat sich Rogge beschränken wollen,
was völlig angemessen ist, — bieten dem sinnigen Betrachter Ge-
legenheit genug, um über die grossen Verhältnisse der Menschheit
das Wort zu nehmen. Es werden uns Gestalten vorgeführt wie
König Eduard III. und dessen Gemahlin Philippa, Thomas von
Woodstock Herzog von Glocester, Oheim König Richards II., Graf
Strafford, obschon er nicht in Westminster ruht, Stafford, Oliver
Cromwell, die Königinnen Maria Stuart und Elisabeth, König Heinrich
V., Heinrich VII. u. A.*)
Ein besonderes Verdienst der Dichtung sehen wir in der künstleri-
schen Cornpositionsweise derselben, worin Takt und Geschmack sich
ausspricht. Es wird aus der Erinnerung der englischen Geschichte her-
ausgehoben, was für den dichterischen Zweck zusagend ist, ohne
sich an die geschichtliche Schilderung als solche zu binden. Die
Uebergänge sind manchmal rasch und kühn, der Stoff ist durchaus
künstlerisch verarbeitet. Die Gedanken bewegen sich frei auf jener
Höhe der Weltanschauung, die der Kunst geziemt, denn immer
muss uns ein Dichter einen Blick thun lassen in seine Gesammtan-
schauung des Lebens, er muss ein Ganzes, ein Bild der Welt, wie
sie ihm sich darstellt, vor uns aufbauen. Daher können wir es nur
rühmen, dass Rogge, aus Anlass der ihm zur Hand liegenden Stoffe
sich unbehindert nach allen Seiten umblickt, bald in’s Alterthum,
bald in die Gegenwart; ein Dichter ordnet alle Zeiten zu einem
geistigen Zusammensein. Vornehmlich hat es uns mit seinem Weike
aufrichtig befreundet, dass er an mehren Stellen die deutsebvater-
ländischen Gefühle so schön und männlich bekannt hat. Auch müssen
wir es billigen, dass er in seinen geschichtlichen Elegien jene politi-
schen Urtheile, die nach besondern Doctrinen gehen, von sich weist,
er giebt uns, was wir bei ihm erwarten dürfen, eine menschlich ge-
müthvolle Würdigung der Personen und Thaten. Wir mögen, ge-
schichtlich und politisch angesehen, über manche Dinge und Men-
schen anders urtheilen, aber wir sehen es immer gern, dass der
Dichter uns seine eigenthümliche charaktervolle Vorstellung und das

Ueber alles Geschichtliche wird in sorgfältigen Anmerkungen, die der
Dichtung angehängt sind, Auskunft gegeben.
 
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