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Nr. 52.

HEIDELBERGER

1862.

JAHRBÜCHER DER LITERATUR

Hermann: Verhältniss der Philosophie zur Religion.

(Schluss.)
Eben so wenig vermag der Unterzeichnete der S. 56 ausge-
sprochenen Behauptung beizutreten, dass „eine so genannte Religion
innerhalb der Gränzen der blossen Vernunft nichts als ein blosser
Schein sei.“ Der Herr Verf. gesteht zu, dass es einen „solchen
Schein“ von einer Religion innerhalb der Gränzen der blossen Ver-
nunft gebe; er will diesen Schein daraus erklären, dass „das
Christenthum nicht, wie jede andere sinnliche Religion, etwas der
Vernunft an sich Widersprechendes in sich enthält.“ Nach ihm ist
wohl der „Begriff der Religion“, nicht aber „die Wirklich-
keit der Religion selbst“ in der „reinen Vernuuft enthalten“ oder
kann „durch die Philosophie festgestellt werden“ (S. 57). Die
Einwendung, dass die „einzelnen dogmatischen Lehren des Christen-
thums“ solche seien, die „auf einem bestimmten, an sich unlösbaren
Widerspruche des Verstandes beruhen“, soll dadurch beseitigt wer-
den, dass sie „eben dieses mit den höchsten und allgemeinsten Be-
schaffenheiten der uns umgebenden Welt gemein haben.“ Den
„Widerspruch des Verstandes“ deutet der Hr. Verf. als die „speci-
fische Form“ an, „in welcher das Absolute der Gottheit in der
Welt, wie in der Religion, als ein durch uns nie vollkommen zu
begreifendes Etwas uns gegenübertritt.“ Die „erste und wichtigste
Lebensaufgabe der Philosophie“ soll daher die sein, „die Gränze
ihres eigenen Gebietes gegenüber demjenigen der Religion zu be-
stimmen.“ Auch mit diesen Sätzen ist Ref. nicht einverstanden.
Wenn, wie der Herr Verf. selbst sagt, der „Begriff der wahren
Religion in der reinen Vernunft enthalten ist“, so muss das Wesen
derselben, das ja eben im Begriffe liegt, in ihr enthalten und daher
auch eine Religion „innerhalb der Gränzen der blossen Vernunft/
möglich sein, .wie denn auch Kant eine solche in seinem Werke
gleichen Namens dargestellt hat. Kann man die vernünftige Con-
struction einer Sache „Schein“ nennen, welche ihrem Wesen nach
in der Vernunft selbst liegt? Wenn der Herr Verf. mit Recht das
Christenthum als die angemessenste Gestalt der Religion bezeich-
net und ihm den Vorzug vor allen andern „sinnlichen Religionen
gibt“, wenn dieses „nicht etwas der Vernunft an sichWidersprechendes“
enthält, muss er nicht, um diesen Ausspruch zu begründen, die
christlichen Lehren mit den allgemeinen, in der Vernunft begrün-
deten Religionslehren vergleichen und also diese schon, als in der
LV. Jahrg. 11. Heft. 52
 
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