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Heidelberger Jahrbücher der Literatur — 56,1.1863

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Nr. 30
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https://doi.org/10.11588/diglit.44902#0478
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Brandes: Reise nach Konstantinopel.

vielen Vorbauten versehen, die wie Käfige über einander und über
dem Boden hängen und von beiden Strassenseiten oft sich so nähern,
dass kaum der Himmel durchscheint. Unsauber, habe ich gesagt,
sind die Strassen, denn aller Unrath und Abfall wird aus den
Häusern auf dieselben hingeworfen, und der würde sie bald gänz-
lich zudecken, wenn nicht die Schaar von Hunden die Stelle der
Strassenfeger übernähme. Diese Unthiere, den Schäferhunden ähn-
lich, von gelber Farbe, liegen lang ausgestreckt, ohne sich zu
rühren, auf dem Boden und schnarchen, und wenn auch Lärm und
Gedränge noch so gross sind, sie bewegen sich nicht; denn jeder geht
sorgfältig um sie herum, selbst das Pferd und der Esel. Am lieb-
sten lagern sie sich vor den Buden der Fleischer oder vor den
Garküchen. Dutzendweise sieht man sie dicht neben einander lie-
gen. In den nach dem Meere hin gelegenen Gassen ist es sehr
lebendig, Kopf drängt und bewegt sich an Kopf, man hat Mühe
durchzukommen, zumal wenn die Dampfschiffe ihre Passagiere aus-
gesetzt haben, und diese alsdann ihren Wohnungen oder Geschäf-
ten zueilen. Und welch ein Wirrwarr und Durcheinanderlaufen
und Schreien, und was für Volk und was für Trachten! Türken
mit vollem Gesicht und starken Backenknochen, mit dem rothen
Fes auf dem Haupte, in langem Rock und unten zugeschnürten
Hosen, mit gelben Schuhen oder Pantoffeln, Türken der alten Zeit
mit dem Turban bedeckt und aus dem Tschibuk mit der Bernstein-
spitze rauchend, Griechen mit dem Fes in europäischer Kleidung
oder in kurzen ungeheuer weiten Hosen, die hinten in einem Sack
herunterhängen, mit rothen Schuhen an den Füssen, im Munde die
Papiercigarre, hinterher ein Grieche aus Griechenland mit der
weissen faltenreichen Fustanella; hier Armenier und Juden in lan-
gen Talaren, dort Haufen niederen Volks mit nackter Brust und
blossen Flüssen, die Haut von der Sonne schwarz gebrannt; so-
dann Perser mit ellenlangen thurmartigen schwarzen steifen Mützen,
und wilde Arnauten mit trotzigen Blicken, die ihre Mäntel von
Schaaffellen nachlässig über die Schultern geworfen haben, Mohren,
Italiener, Franzosen, Deutsche; dort watschelt eine Türkin mit
weissem Schleier und weissem Mantelgewande vermummt, an den
Füssen gelbe Stiefel in gelben Pantoffeln; und nun eine Truppe
Soldaten und hinterher ein halbes Dutzend Lastträger mit langen
über den Rücken ruhenden Stangen, von welchen vorn und hin-
ten die Bündel herabhängen, dazwischen ein griechischer Geist-
licher in schwarzem Mantel mit schwarzer steifer Mütze, dort
ein armenischer Priester mit gleicher Kopfbedeckung, von wel-
cher ein schwarzer Schleier herabweht; hier eine europäische
Dame in weisser Krinoline am Arm eines schwarz gekleideten Herrn,
beide gar ängstlich durch die Haufen fortschiebend, und hinterher
wilde lärmende Burschen mit Eseln, die lange Balken und tannene
Bretter hinter sich über den Boden schleifen; und schau den Der-
wisch mit der Blumentopf-Mütze und dem weissen Mantel, die
 
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