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Nr. 2.

HEIDELBERGER

1864.

JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Brügger: Geist, Seele, Stoff.

(Schluss.)
Man kann und wird daher zur Erklärung des Lebens mit dem
blossen Stoffe und der Stofflehre nicht ausreichen, man wird die Kraft-
lehre — und die Kraft in ihrer Thätigkeit mit den Erscheinungen der
Empfindung und willkürlichen Bewegung ist eben im engern oder
eigentlichen Sinne das Seelische — zu Hülfe nehmen müssen. Denn,
weiss man auch nicht, was die Seelenkraft an sich ist, so lässt sich
doch ein Schluss auf ihr Wesen aus ihren Wirkungen ziehen. Es
gehört zum Seelenleben im Hirne jene Zweiheit des Stoffes und
der Kraft. Shakespeare vergleicht das Hirn mit der Mutter,
den Geist mit dem Vater, die Gedanken mit den Kindern, die aus
dieser für uns in ihrem Wesen unerkennbaren Verbindung ent-
stehen. Am meisten aber spricht für das Seelische im Stoffe die
Freiheit, ohne welche das Selbst- Welt- und Gottesbewusstsein
unmöglich, und welche die einzige Grundbedingung aller Tugend
und jedes Fortschrittes ist. Der Wille zu bewegen ist wesentlich
von der durch ihn hervorgerufenen Bewegung verschieden. Die
Abstractionskraft setzt das Denken nicht nur der äussern Welt,
sondern auch dem eigenen Körper, dem Hirn, den Nerven und
Sinnesorganen und allen ihren Theilen als ein Anderes entgegen,
ungeachtet dieses Denken in und mit diesem Körper, in und mit
diesem Gehirne und im Zusammenhänge desselben mit Nerven und
Sinneswerkzeugen stattfindet. Wenn man von einem sich stets be-
wegenden Urstoffe spricht, so darf nicht übersehen werden, dass
eben dieses Bewegen ein Thätiges im Stoffe ist, und das Thätige
nicht durch den Stoff, sondern umgekehrt der Stoff durch das
Thätige zur Bewegung gelangt. Auch ist immer noch zu beweisen,
dass das Selbstbewusstsein, die Freiheit, das Gewissen, Verstand,
Vernunft, Wille, uichts, als Bewegungen des Stoffes, sind. Jeden-
falls muss dasjenige, welches Bewegungen solcher Art im Stoffe
hervorruft, also das den Stoff Bewegende, das Bewegungsprincip,
ein anderes, als das der mechanischen Bewegung, sein, welche eine
Kugel durch die andere stösst, oder selbst die Erscheinungen des
Telegraphen (der Blitzschrift) hervorruft. Wenn die Befriedigung
des Geschlechtstriebes als ein „blitzstofflicher Vorgang“ bezeichnet
wird (S. 69ff.), so kann man dieses noch lange nicht auf das
Denken anwenden, da zwischen jener und dieser Thätigkeit ein
grosser Unterschied ist, und daher auch beide Thätigkeiten als ver-
LVII. Jahrg. 1. Heft 2
 
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