DOI Heft:
Heft 2
DOI Artikel:Erdmannsdörffer, Bernhard: Kleine Beiträge zur Goethe-Biographie
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.29036#0197
Kleine Beiträge zur Goetlie-Biograpliie.
Von
13. Erdmaniisdörffer.
1.
Goethe in Heidelberg und die Familie Delpli.
Goethe ist in verschiedenen Perioden seines Lebens in Heidelberg
gewesen, in jungen und in alten Jahren. Die lebendigste Erinnerung
haftet an dem Herbstbesuch im Jahr 1814, der besonders den Boisseree’s
und ihrer Gemäldesammlung galt und an den von der Dichtung ver-
klärten Suleika-Tagen im September und Oktober 1815. In früheren
Jahren hat sich wiederholter Aufenthalt immer nur auf wenige Tage er-
streckt. Auf der Reise nach Italien wurde Heidelberg nicht berührt;
auch Hin- und Rückweg bei der „Campagne in Frankreich“ führten den
Dichter nicht an den Neckar. Dagegen verweilte er auf der Rückreise
von der Belagerung von Mainz im August 1793 mehrere Tage in Heidel-
berg, und vier Jahre später folgte auf der Reise in die Schweiz wieder
ein kurzer eintägiger Aufenthalt, dem wir die in ihrer knappen Gedrängt-
heit so sinnvolle Beschreibung von Stadt und Landschaft im Reisetage-
buch von 1797 verdanken.
Eine viel wichtigere Stelle in der Lebensgeschichte Goethe’s aber
nehmen die vier oder fünf Tage ein, die er im Herbst 1775 in Heidel-
berg zubrachte. Das waren recht eigentlich Schicksalstage. Zwei weit
auseinander führende Lebenswege lagen damals vor ihm. Hier traf er
die Wahl, und von Heidelberg aus trat er die Reise — nach Weimar an,
die über so vieles entschied.
Das Jahr 1775 war für den sechsundzwanzigjährigen Dichter eine Zeit
tiefster leidenschaftlicher Erregtheit. Die abgeklärte Ruhe später Rück-
schau in „Dichtung und Wahrheit“ giebt nicht ganz den stürmischen
Eindruck wieder, den wir aus den Briefen und Gedichten jener Zeit
Von
13. Erdmaniisdörffer.
1.
Goethe in Heidelberg und die Familie Delpli.
Goethe ist in verschiedenen Perioden seines Lebens in Heidelberg
gewesen, in jungen und in alten Jahren. Die lebendigste Erinnerung
haftet an dem Herbstbesuch im Jahr 1814, der besonders den Boisseree’s
und ihrer Gemäldesammlung galt und an den von der Dichtung ver-
klärten Suleika-Tagen im September und Oktober 1815. In früheren
Jahren hat sich wiederholter Aufenthalt immer nur auf wenige Tage er-
streckt. Auf der Reise nach Italien wurde Heidelberg nicht berührt;
auch Hin- und Rückweg bei der „Campagne in Frankreich“ führten den
Dichter nicht an den Neckar. Dagegen verweilte er auf der Rückreise
von der Belagerung von Mainz im August 1793 mehrere Tage in Heidel-
berg, und vier Jahre später folgte auf der Reise in die Schweiz wieder
ein kurzer eintägiger Aufenthalt, dem wir die in ihrer knappen Gedrängt-
heit so sinnvolle Beschreibung von Stadt und Landschaft im Reisetage-
buch von 1797 verdanken.
Eine viel wichtigere Stelle in der Lebensgeschichte Goethe’s aber
nehmen die vier oder fünf Tage ein, die er im Herbst 1775 in Heidel-
berg zubrachte. Das waren recht eigentlich Schicksalstage. Zwei weit
auseinander führende Lebenswege lagen damals vor ihm. Hier traf er
die Wahl, und von Heidelberg aus trat er die Reise — nach Weimar an,
die über so vieles entschied.
Das Jahr 1775 war für den sechsundzwanzigjährigen Dichter eine Zeit
tiefster leidenschaftlicher Erregtheit. Die abgeklärte Ruhe später Rück-
schau in „Dichtung und Wahrheit“ giebt nicht ganz den stürmischen
Eindruck wieder, den wir aus den Briefen und Gedichten jener Zeit