Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Historisch-Philosophischer Verein <Heidelberg> [Hrsg.]
Neue Heidelberger Jahrbücher — 16.1910

DOI Artikel:
Mayer, Adolf: Gedanken zu modernen Kunst
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31252#0101
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Gedanken znr modernen Kunst.

Yon

Adolf Mayer.

Die grosse Umwälzung, welche die bildenden Künste, insbesondere
die Malerei in unsern Tagen erfahren haben, lässt sich ohne Zweifel auf
mehrere Gesichtspunkte zurückführen, die aber ihrerseits wieder grossen-
teils auf die in unserer Zeit so stark vermehrte Kenntnis zurückzuführen
sind, da sie nicht ganz einfach in der Richtung der bisherigen Entwick-
lung liegt. Diese vermehrte Kenntnis ist entweder historisch und ethno-
graphisch und dehnt sich insofern auf die Kunst anderer Zeiten und
anderer Völker aus, die uns durch die erleichterten Reproduktions- und
Verkehrsmittel zugänglich gemacht worden sind. Wir haben in viel
breiteren Schichten der Bevölkerung wie früher, durch Reisen in das
gelobte Land der Kunst, nach Italien, oder nach dem Lande der ge-
wissenhaftesten Malerei aller Zeiten, nach den Niederlanden, ferner durch
jedermann zugängliche photographische Reproduktionen x), endlich durch
das Erschliessen einer von unserer europäischen ganz verschiedenen aber
doch noch beachtenswerten Kunst, der des alten asiatischen Kulturlands,
Japan 1 2), vielfache und ganz neue Auffassungsweisen kennen gelernt.

1) Nicht bloss Reproduktionen. Sondern die Photographie dient heutzutage
den Malern als technisches Hülfsmittel. So bei Lenbach (Beibl. Allg. Zeitung, 7. Jan.
1906) der die ganze Vorbereitung des Portraits photographisch besorgte und dadurch
viel Zeit sparte; ebenso tut der friesische Bildhauer Pier Pander in Rom. Bei Len-
bach wurde sogar der nicht immer ganz natürliche Glasglanz der Augen dieser Art
zu arbeiten zugeschrieben. Mag sein. ln jedem Falle ist sie im Übrigen ein Kor-
rektiv für die mangelnde Übereinstimmung mit cler Wirklichkeit.

2) Der Zoologe Doflein meint (Ostasienfahrt 367), wo er von der japanesischen
Kunst spricht, dass dieselbe durch eine vereinfachte Ausdrucksform auf einem be-
wusst gewählten U m w e g e dieselbe Empfindung wachzurufen vermöge, welche das
natürliche Objekt hervorgerufen haben würde. Das muss natürlich lehrreich sein,
weil man damit an die Wurzel des Stilbegriffes kommt. — Beeinflussungen der
europäischen Stilentwickelung durch Asien haben ja auch schon in früheren Jahr-
hunderten stattgefunden. So wird der Rococostil teilweise auf Eindrücke zurückgeführt,
den französische Missionare in Tonkin empfangen hatten (M. v. Brandt, 33 Jahre in
Ostasien I, p. 238).
 
Annotationen