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Curtius, Ludwig: Franz Boll: Gedächtnisrede gehalten in der Heidelberger Vereinigung der Freunde des humanistischen Gymnasiums
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.31583#0007
FranzBoll
Oedächtnisrede gehatten in der Heidelberger Vereinigung der
Freunde des humanistischen Gymnasiums.
VonLudwigCurtius.
Zur eigenen Qual hat sich die Qegenwart den Irrtum ersonnen,
der einzelne Mensch übe nur eine soziaie Funktion aus, die an
seiner Steile ebenso gut irgend ein anderer aus der Notwendigkeit
der hinter dem Individuum stehenden gesellschaftlich-wirtschaft-
lichen Qesetze erfüllen könne. Wie, der Qelehrte, der Freund Franz
Boll, der Führer unserer Qemeinschaft, den wir vor wenigen Mo-
naten verloren, durch einen von uns ersetzt, durch irgend jemand,
den wir in diesen Kreis rufen könnten, ersetzbar? Der Tod ist der
Lehrer des Lebens. Das Schöpferische des Menschen im engeren
Sinne seiner objektiven Leistung, im weiten Sinne seiner mensch-
lichen Wirkung liegt im Qeheimnis seiner Individualität.
Bolls Familie war der Rasse nach alemannisch, ein Bischof
BoII liegt im Münster zu Freiourg begraben, und die Schweizer-
natur seiner geliebten Lebensgefährtin hat in Franz Boll ein Echo
aus seinem eigenen Wesen gefunden. Qottfried Keller war sein
Lieblingsclichter, von dem er einmal bekannte, er würde ihn mit der
Odyssee, Shakespeare und Qoethe in die Verbannung auf eine ein-
same Insel mitnehmen. Aber er selber war Franke durch Qeburt,
1867 in Rothenburg o. d.Tauber, Jugenderlebnis und Erziehung
in Eichstaedt, an dessen Dom, Pfaffengäßchen und schattige Plätze
er sich gerne dankbar erinnerte. Fränkisch war sein klarer kritischer
Verstand, der das künstlerische Erbteil seiner Natur, clie Phan-
tasie, disziplinierte, und ihn zum Philologen, zum Gold-
schmied des Wortes machte. In der katholischen Erziehung in
Eichstaedt wurzelt wohl auch ein anderer Zug seines Wesens^ ,sein
Verhältnis zum Religiösen. Sein Vater war altkatholisch geworden,
so sind in der Umgebung des väterlichen Hauses und in Eichstaedt
U
Oedächtnisrede gehatten in der Heidelberger Vereinigung der
Freunde des humanistischen Gymnasiums.
VonLudwigCurtius.
Zur eigenen Qual hat sich die Qegenwart den Irrtum ersonnen,
der einzelne Mensch übe nur eine soziaie Funktion aus, die an
seiner Steile ebenso gut irgend ein anderer aus der Notwendigkeit
der hinter dem Individuum stehenden gesellschaftlich-wirtschaft-
lichen Qesetze erfüllen könne. Wie, der Qelehrte, der Freund Franz
Boll, der Führer unserer Qemeinschaft, den wir vor wenigen Mo-
naten verloren, durch einen von uns ersetzt, durch irgend jemand,
den wir in diesen Kreis rufen könnten, ersetzbar? Der Tod ist der
Lehrer des Lebens. Das Schöpferische des Menschen im engeren
Sinne seiner objektiven Leistung, im weiten Sinne seiner mensch-
lichen Wirkung liegt im Qeheimnis seiner Individualität.
Bolls Familie war der Rasse nach alemannisch, ein Bischof
BoII liegt im Münster zu Freiourg begraben, und die Schweizer-
natur seiner geliebten Lebensgefährtin hat in Franz Boll ein Echo
aus seinem eigenen Wesen gefunden. Qottfried Keller war sein
Lieblingsclichter, von dem er einmal bekannte, er würde ihn mit der
Odyssee, Shakespeare und Qoethe in die Verbannung auf eine ein-
same Insel mitnehmen. Aber er selber war Franke durch Qeburt,
1867 in Rothenburg o. d.Tauber, Jugenderlebnis und Erziehung
in Eichstaedt, an dessen Dom, Pfaffengäßchen und schattige Plätze
er sich gerne dankbar erinnerte. Fränkisch war sein klarer kritischer
Verstand, der das künstlerische Erbteil seiner Natur, clie Phan-
tasie, disziplinierte, und ihn zum Philologen, zum Gold-
schmied des Wortes machte. In der katholischen Erziehung in
Eichstaedt wurzelt wohl auch ein anderer Zug seines Wesens^ ,sein
Verhältnis zum Religiösen. Sein Vater war altkatholisch geworden,
so sind in der Umgebung des väterlichen Hauses und in Eichstaedt
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