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Die frommen Eingangs- und Schlußverse entsprachen durchaus der
frommen Sitte vergangener Zeit, alles mit Gott anzufangen und zu be-
enden. Sie sind Gebeten gleichzustellen. Die Feierlichkeit solcher An-
rufungen des Höchsten oder doch des Gedenkens an ihn als den Schützer
des Rechts, den Bestrafer des Unrechts, setzte sich ungezwungen in
Verse um.
Die gereimte Vorrede des Sachsenspiegels hat — worauf Rosenstock
in der Zeitschrift für Rechtsgeschichte 50 (1916) 498 ff. hingewiesen hat —
ihr Vorbild in der gereimten Vorrede des Volksbuches Elucidarius aus
dem 12. Jahrhunderte. Bei diesen beiden Werken ist die gereimte Prosa
der Vorreden sozusagen der Ausklang des Brauches, Volkstümliches in
deutscher Sprache nur in Versen zu bieten. Es sind die beiden ersten
Fälle selbständiger wissenschaftlicher deutscher Prosa. Weiterhin sind
dann gereimte Vorreden nichts Auffälliges mehr; es ist nur zu erinnern
an das Berliner Stadtbuch, an das Rechtsbuch Ruprechts von Freising
und andere. Das Eisenacher Rechtsbuch Johannes Purgoldts hat sogar
vor jedem seiner Bücher — mit Ausnahme des zweiten — eine gereimte
Vorrede.
Trotz aller Einfachheit ist es ein wirksamer Spruch, der den er-
höhten Frieden der Frankfurter Mainbrücke sichern sollte (unten
Beispiel 24).
An den Wegen des Heidelberger Stadtwaldes bitten allenthalben
Verstafeln um Schonung der Pflanzen (unten Beispiel 25).
Ja selbst Wegweiser mit Reimen kommen vor; so in Markt-Pyrbaum
(Bayerland 8 [1897] S. 317).
Die Verse, denen wir im Strafvollzug begegnen, sind durchaus
verschiedener Art.
Die Ächtungsformel hat, wie bereits oben ausgeführt, neben dem
rechtlichen Inhalt auch eine religiöse und zauberische Bedeutung.
Wenn bei der Prügelstrafe singend oder sprechend Reime zitiert wer-
den, so ist das wohl die rhythmische Begleitung der Stock- oder Ruten-
schläge, also — wenn es erlaubt ist, so zu sagen — ein Fall von Arbeit
und Rhythmus im Rechtsleben. Die Prügel werden aufgezählt. Ich wie-
derhole (unten Beispiel 26 und 27) aus meinem älteren Aufsatze in der
Zeitschrift für Rechtsgeschichte 54 (1920) 371 f. ein Prügellied und ein
Spießrutenlied.
In Köln soll noch im 18. und 19. Jahrhundert der Fronbote den Ver-
urteilten vor der Hinrichtung dreimal an den Blauen Stein gestoßen
haben mit den Versen:
Ich stüssen dich an de blae stein,
Do küs ze lebday no vadder un moder nit mih heim.
 
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