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Historisch-Philosophischer Verein <Heidelberg> [Hrsg.]
Neue Heidelberger Jahrbücher — N.F..1935

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Ruge, Gerda: Scheffel: Frau Aventiure
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https://doi.org/10.11588/diglit.47622#0015
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um alten Zeiten und vergangenen Ereignissen und Gestalten nach-
zuspüren. Ihr hatte er sich ganz gewidmet und es leidend an sich er-
fahren, wie sie den in ihren Bann zieht und nicht wieder frei läßt, der sich
ihr einmal ergeben. Zum Dank aber hatte sie ihm ihre schönsten Geheim-
nisse offenbart; sie hat ihn alle Not vergessen lassen, die sie ihm ge-
schaffen, sie hat ihm das Auge geöffnet für alles Schöne im Leben und in
der Natur, sie hat immer wieder Traum und Sehnsucht in ihm geweckt,
ihn dem regelrechten Leben des Alltags entrückt. Was er in ihrem Dienst
gesungen, das brachte er jetzt dem Großherzog Karl Alexander dar, dem
Manne, der zuerst ihm die Anregung gegeben, die Wartburg in den
Mittelpunkt einer Dichtung zu stellen.
Im Jahre 1857 hatte Karl Alexander Scheffel zu einem Besuch auf die
Wartburg geladen. Es war die Zeit, in der die künstlerische Erneuerung
der Wartburg schon weit fortgeschritten war, in der das Bild Moritz von
Schwinds vom Sängerkrieg bereits die Wand des großen Saales schmückte.
Karl Alexander fühlte sich als Erbe seines großen Vorgängers Karl August
berufen, ein Förderer der Kunst, ein Freund der Künstler zu sein. Wei-
mars größte Zeit hatte noch einen Schimmer über seine Kinderjahre ge-
worfen; hatte doch der damals dreijährige Prinz Karl Alexander am
Weihnachtsabend des Jahres 1822 seinem Großvater Karl August einen
Band Goethischer Gedichte als Abgesandter des Dichters unter den Christ-
baum legen dürfen1. Das nachklassische Weimar, das Weimar Karl
Alexanders und Liszts, war noch immer ein Mittelpunkt des künstleri-
schen Lebens in Deutschland. Dem Architekten und dem Maler hatte der
großartige Plan der Warfburgerneuerung große und schöne Aufgaben
gestellt Jetzt glaubte Karl Alexander in dem Dichter des Ekkehard den
Mann gefunden zu haben, der die Gestalten und Ereignisse des Mittel-
alters auf der Thüringer Feste wachrufen werde.
Scheffel war der Wartburg vielfach verbunden. Seit der Zeit nach dem
Befreiungskriege und von neuem seit 1848 galt die Wartburg den deut-
schen Studenten als der Hort der Vaterlandsliebe und der Freiheit. Zu
dieser vaterländischen Verbundenheit, die für Scheffel in hohem Maße
lebendig war, traten persönliche Beziehungen: Der beste Freund seiner
Mutter, Bernhard von Ärnswald, war Burghauptmann auf Wartburg,
und mit Schwind und seiner Familie war die Familie Scheffel seit langem
befreundet.
Scheffel, für den seit dem Ekkehard das deutsche Mittelalter lebte,
vertiefte sich mit großer Begeisterung in Schwinds Darstellung vom Sän-
gerkrieg. Angesichts dieses Bildes und angeregt durch den tiefen Ein-
1 Türmer, Dez. 1932, S. 208 „Weihnacht im Erlebnis Goethes“ von Dr. Paul
Bülow, Lübeck.
 
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