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Derwein, Herbert; Historisch-Philosophischer Verein <Heidelberg> [Hrsg.]
Neue Heidelberger Jahrbücher: Heidelberg im Vormärz und in der Revolution 1848/49: ein Stück badischer Bürgergeschichte — Heidelberg: Verlag von G. Koester, N.F..1958

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Derwein, Herbert: Heidelberg im Vormärz und in der Revolution 1848/49 - Ein Stück badischer Bürgergeschichte
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Vom Befreiungskrieg bis zur Julirevolution
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https://doi.org/10.11588/diglit.47640#0013
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Vom Befreiungskrieg bis zur Julirevolution

Die Häuser, die sich einst der Kurpfälzer Adel erbaut hatte, waren um
die Mitte des 19. Jahrhunderts in Mannheim im Besitz der reichen Handels-
leute und Gewerbetreibenden, in Heidelberg wurden sie meistens von
Universitätsprofessoren bewohnt. Deutlich bezeichnet dieser Gegensatz
die verschiedene Struktur der beiden Nachbarstädte. In dem betriebsamen
Mannheim, das dank seiner Lage an der Hauptwasserstraße Deutschlands
sich bereits zur Industrie- und Handelsstadt entwickelt hatte, bildete die
Oberschicht das in die Zukunft weisende Element der Unternehmer, der
Vertreter wirtschaftlichen Wagemuts. In Heidelberg waren die eigentlichen
Honoratioren die Universitätsprofessoren, die die Tradition einer Jahr-
hunderte alten Hochschule fortsetzten und die in den Augen der Bürger
ein Nimbus von Würde und Ansehen umgab.
Aber mehr als in den Professoren war die Universität für die Heidelber-
ger in den Studenten verkörpert, die gleich nach der Erneuerung der Hoch-
schule durch Karl Friedrich von Baden, bald nach der Jahrhundertwende,
in unerwartet großer Zahl nach Heidelberg strömten. Durch sie erhielt das
gewerbliche Leben, das im Vergleich zu dem Mannheimer nur schwach
pulsierte, eine sehr spürbare Belebung. Fast alle Wirtschaftszweige profi-
tierten von der Studentenwelt, und auch die Armen konnten durch leichten
Verdienst sich weitgehend gegen Not schützen. Die Universität wurde
vorwiegend von Juristen besucht, die damals meist aus wohlhabenden
Familien stammten. Auch der Adel ließ gern seine Söhne in Heidelberg
studieren. Seit Anfang der 1820er Jahre wurde die Stadt zudem zum Tum-
melplatz zahlreicher vornehmer Müßiggänger, denen es garnicht ernstlich
um ein Studium zu tun war, sondern darum, als Grandseigneurs ihre gros-
sen Wechsel durchzubringen. Kein Wunder, daß die „Herren“, wie man
die Studenten schlechtweg nannte, für die Heidelberger das gute und
schlechte Wetter machten1. Nicht genug konnten Fremde staunen, wie
unterwürfig ergeben die Handwerker den Akademikern entgegentraten,
mit welcher Lammsgeduld man ihren lärmenden und schwärmenden Über-
mut ertrug, wie bescheiden man den Beherrschern der Straße auswich,
wenn sie in langer Reihe dahinzogen. Der Heidelberger Jugend aber waren
die Studenten leuchtendes Vorbild, dem sie nachzueifern suchte. Sie kleidete
sich gern möglichst nach studentischem Brauch, sie führte in den Wirt-
1 Vgl. Tagebuch 1808 (H. Tgb. 28. 3. 1929); L. Passarge, Ein ostpreußisches Jugend-
leben (1903), S. 180 f., Grenzboten 1847, III, S. 468 f. u. ö.

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