274 Roman Luckscheiter
Abb. 1. Bernward Vesper (bei der Lektüre von Günter Amendts ,Sexfront', 1970, Foto: Jörg
Schröder)
Komplex auf mehreren Ebenen: Er war Student und Gelegenheitskommunarde,
Verleger und Schriftsteller, Verlobter der späteren Terroristin Gudrun Ensslin
und zugleich Sohn des Nazi-Dichters Will Vesper. Im Mai 1971 beging er
Selbstmord und hinterließ ein 700 Seiten umfassendes Romanfragment, das
erst 1977 unter dem Titel ,Die Reise' erschien.3 Diese ,Reise' führt autobio-
graphisch durch die Gegenwart der Jahre 1969 bis 1971, durch die Kindheit
während der Nazizeit und durch die Welten des „inner space" nach der Ein-
nahme diverser Drogen, die bei der „Überprüfung all dessen [...], was seit der
Geburt geschehen ist", behilflich sein sollen (S. 36). Der Roman über diesen
dreifachen „Trip" wurde - zumal mitten im ,Deutschen Herbst' von 1977 -
als „Vermächtnis einer Generation" gelesen, die ihre Sozialisation unter der
Last deutscher Vergangenheit und in den Spannungsfeldern der Außerparla-
mentarischen Opposition erfahren hat. Bekanntermaßen war ihr Verhältnis
zum System der Bundesrepublik gestört, um nicht zu sagen: von tiefem Haß
und größtem Mißtrauen geprägt. Vesper hatte zunächst auch vor, sein Buch
,Haß' zu nennen, und führt einige Beispiele über „Opfer der Kapitalkonzen-
tration" und „Opfer der Technologie unter kapitalistischen Produktionsver-
hältnissen" des Jahres 1969 an, um damit das Gesicht des Feindes, die
„Bauelemente des zweiten deutschen Faschismus" zu illustrieren (S. 431 f.).
Für seine Mitbürger hat er nur Verachtung übrig: „Alles hier ist Vegetable.
Was nützt es, high zu sein, wenn man auf dem Grund dieses Morastes sitzt?
Alle Seitenangaben beziehen sich auf die in den Anmerkungen angegebene Ausgabe.
Abb. 1. Bernward Vesper (bei der Lektüre von Günter Amendts ,Sexfront', 1970, Foto: Jörg
Schröder)
Komplex auf mehreren Ebenen: Er war Student und Gelegenheitskommunarde,
Verleger und Schriftsteller, Verlobter der späteren Terroristin Gudrun Ensslin
und zugleich Sohn des Nazi-Dichters Will Vesper. Im Mai 1971 beging er
Selbstmord und hinterließ ein 700 Seiten umfassendes Romanfragment, das
erst 1977 unter dem Titel ,Die Reise' erschien.3 Diese ,Reise' führt autobio-
graphisch durch die Gegenwart der Jahre 1969 bis 1971, durch die Kindheit
während der Nazizeit und durch die Welten des „inner space" nach der Ein-
nahme diverser Drogen, die bei der „Überprüfung all dessen [...], was seit der
Geburt geschehen ist", behilflich sein sollen (S. 36). Der Roman über diesen
dreifachen „Trip" wurde - zumal mitten im ,Deutschen Herbst' von 1977 -
als „Vermächtnis einer Generation" gelesen, die ihre Sozialisation unter der
Last deutscher Vergangenheit und in den Spannungsfeldern der Außerparla-
mentarischen Opposition erfahren hat. Bekanntermaßen war ihr Verhältnis
zum System der Bundesrepublik gestört, um nicht zu sagen: von tiefem Haß
und größtem Mißtrauen geprägt. Vesper hatte zunächst auch vor, sein Buch
,Haß' zu nennen, und führt einige Beispiele über „Opfer der Kapitalkonzen-
tration" und „Opfer der Technologie unter kapitalistischen Produktionsver-
hältnissen" des Jahres 1969 an, um damit das Gesicht des Feindes, die
„Bauelemente des zweiten deutschen Faschismus" zu illustrieren (S. 431 f.).
Für seine Mitbürger hat er nur Verachtung übrig: „Alles hier ist Vegetable.
Was nützt es, high zu sein, wenn man auf dem Grund dieses Morastes sitzt?
Alle Seitenangaben beziehen sich auf die in den Anmerkungen angegebene Ausgabe.