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Kempter, Klaus [Hrsg.]; Boenicke, Rose [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Bildung und Wissensgesellschaft — Berlin, Heidelberg [u.a.], 49.2005 (2006)

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https://doi.org/10.11588/diglit.2246#0096

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84 Otfried Hoffe

pologie plus Ethik plus Sach- und Zeitdiagnose. Der kürzere vierte Teil bezieht
schließlich den Wertekosmos auf das demokratische Bildungswesen (IV).

I Grundwerte

Die klassische philosophische Ethik beziehungsweise Moralphilosophie kennt
den Ausdruck „Wert" nicht. Sie spricht lieber von Gut (agathon, bonum), von
Tugend {arete, virtus) und von Pflicht (kathekon, officium). Die Tugend, des
näheren die moralische Tugend, stellt das Ideal der Erziehung und Selbsterzie-
hung zu einer menschlich vortrefflichen Persönlichkeit dar. Und die moralische
Pflicht bezeichnet das Gebotene im Blick auf ein unbedingtes moralisches Ge-
setz. Der Ausdruck „Wert" stammt dagegen aus der Wirtschaftstheorie. Wo
ihn die Ethik übernimmt, meint sie aber nicht etwas, das sich quantifizieren,
deshalb sowohl intrapersonal als auch interpersonell vergleichen lässt. Keines-
wegs erliegt die Ethik über den Ausdruck des Wertes einer Ökonomisierung.
Der Ausdruck bedeutet bei ihr vielmehr einen Orientierungsstand oder eine
Leitvorstellung, an der man sein Handeln ausrichtet, im Fall der deskriptiven
Ethik de facto, im Fall der normativen Ethik zu Recht.

Lässt man die Konventionen beiseite: Tischsitten, Anredeformen und wei-
tere Manieren,2 so lassen sich im weiten Feld der Werte drei Hauptgruppen
und zugleich Rangstufen unterscheiden. Die erste Stufe der instrumentalen be-
ziehungsweise funktionalen Werte gilt nur unter Voraussetzung einer gewissen
Absicht. Wer etwa reich werden will, braucht weit mehr Einnahmen als Aus-
gaben. Nicht identisch, aber damit verwandt ist die Tugend der Sparsamkeit.
Andere funktionale Werte beziehungsweise Tugenden sind Konzentration und
Pünktlichkeit, Ordnungsliebe, Folgsamkeit und Fleiß. Wie der Ausdruck sagt,
sind funktionale Werte nicht in sich gut; es kommt alles darauf an, wofür sie
eingesetzt werden.

Die zweite Stufe der pragmatischen Werte steht im Dienst des pragmati-
schen Leitwertes, der minimal im „Überleben", optimal aber im „Glück" oder
„Wohlergehen" besteht. Individualpragmatische Werte wie Besonnenheit die-
nen dem langfristigen Wohl eines Individuums, sozialpragmatische Werte wie
die Rechtssicherheit dem Wohl eines Gemeinwesens, dem Gemeinwohl.

Erst die dritte Stufe, die moralischen Werte, fordern zu Handlungen auf, die
nicht wegen etwas anderem, sondern für sich selbst gut und richtig sind. Als
Grundlage aller anderen Werte haben sie den Rang moralischer Grundwer-
te. In der Regel nicht an Sonderbedingungen eines bestimmten Gemeinwesens
gebunden, zeichnen sie sich durch allgemeinmenschliche Gültigkeit aus. Inner-
halb der Moral kann man noch drei Modalitäten beziehungsweise Teilstufen
unterscheiden: Verbote, deren Anerkennung die Menschen einander schulden,
etwa wie Verbote von Betrug, Diebstahl und Mord, entsprechend geschuldete

Zur vergnüglichen Belehrung: Asserate 2003.
 
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