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Herfarth, Christian [Hrsg.]; Bartsch, Helmut [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Gesundheit — Berlin, Heidelberg, New York, 50.2006 [erschienen] 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.3464#0256

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„Operationen im zerbrechlichen Haus der Seele"
Möglichkeiten und Grenzen der Neurochirurgie

ANDREAS W. UNTERBERG UND CHRISTIAN R. WIRTZ

Die Neurochirurgie ist ein sehr junges Fach der Medizin. Erst vor etwas mehr
als 100 Jahren wurde der erste erfolgreiche geplante Eingriff am Gehirn durch-
geführt. Innerhalb eines guten Jahrhunderts haben sich in der Neurochirurgie
mehrere Revolutionen ereignet. So ist heute ein operativer Eingriff am Ge*
hirn aufgrund subtiler Diagnostik ein genauestens kalkulierbares Risiko, exakt
planbar, bestens zu überwachen und oft mit sehr hoher Erfolgsaussicht ver-
bunden. Dennoch bedeutet Chirurgie an und im Gehirn auch stets ein Risiko,
dabei das Wesen, den Geist und die Seele des Individuums zu beeinträchtigen,
zu beschädigen. Die Vorstellung, dass das Gehirn Sitz der menschlichen Seele
ist - die für viele Neurochirurgen die Faszination ihres Berufes ausmacht -,
ist keineswegs so alt, wie man denken möchte, aber auch keine moderne
Hypothese oder Erkenntnis. So lässt bereits William Shakespeare in seinem
Königsdrama „King John" im fünften Akt und in der neunten Szene den Prin-
zen Heinrich sagen: „... Sein reines Gehirn, welches einige für das zerbrechliche
Haus der Seele halten ..."

Die Geschichte der modernen Neurochirurgie - rituelle Trepanationen der
Vor- und Frühzeit beiseite gelassen - ist nirgends anschaulicher beschrieben als
in dem Buch Jürgen Thorwalds „Im zerbrechlichen Haus der Seele". Ende des
19. Jahrhunderts sind drei wesentliche Voraussetzungen für geplante und er-
folgreiche Eingriffe am Gehirn geschaffen: Grundvorstellungen funktioneller
Neuroanatomie, die Ausschaltung des Operationsschmerzes, sowie die Asepsis
und Antisepsis. Erste erfolgreiche Operationen am Gehirn werden in Großbri-
tannien durchgeführt: 1875 operiert Victor Horseley in London einen Patienten
wegen einer Glianarbe - vermutet wurde ein Hirntumor. Der Patient überlebt;
dies bedeutete damals „erfolgreich" operieren.

Die Neurochirurgie entwickelt sich rasant weiter, vornehmlich in Großbri-
tannien und den USA. So operiert H. Cushing 1909 in Boston zum ersten Mal
erfolgreich ein Meningeom. Er wird auch 1912 der erste Ordinarius für Neuro-
chirurgie in Harvard. Zwar gibt es auch in Deutschland namhafte Pioniere der
Neurochirurgie, wie Otfried Förster in Breslau und Fedor Krause in Hamburg,
doch dauert es bis 1936, als Wilhelm Tönnis in Berlin - nicht an der Charite,
 
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