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Herfarth, Christian [Hrsg.]; Bartsch, Helmut [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Gesundheit — Berlin, Heidelberg, New York, 50.2006 [erschienen] 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.3464#0341

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Faktor Mensch:
Beziehung als Ressource im „Medizinbetrieb"

ROLF VERRES UND JOCHEN SCHWEITZER

Wenn wir heutzutage über die Vertrauensbildung zwischen Patient und Arzt
nachdenken, ist zu berücksichtigen, dass an die Stelle der herkömmlichen
dyadischen Patient-Arzt-Beziehung vielerorts eine neue Gruppendynamik ge-
treten ist. Der Patient begegnet wechselnden Teams statt Ärzten, die ihn seit
Jahren kennen und bei ihren Entscheidungen möglichst auch auf seine Lebens-
situation eingehen.

Zugleich wird immer unmissverständlicher an die Mündigkeit und an die
Eigenverantwortlichkeit des Patienten appelliert. Dabei wird häufig von der
Annahme ausgegangen, Patienten seien in der Lage, die Informationen, die
man ihnen gibt, angemessen zu verarbeiten und für ihre rationalen Entschei-
dungen zu nutzen. Forschungen über Unterschiede zwischen „objektiven", wis-
senschaftlich überprüften Theorien der Medizin einerseits und „subjektiven
Theorien" der Laien andererseits stellten folgende Merkmale subjektiver Pati-
ententheorien im Unterschied zu wissenschaftlichen Theorien heraus (Verres
1986):

1. Inkonsistenz: Auch logisch unvereinbare Vorstellungen können unverbun-
den nebeneinander stehen. Beispiel: Der Patient weiß, dass Rauchen gefähr-
lich ist, raucht aber weiter und zieht wechselnde Begründungen für sein
Verhalten heran.

2. Instabilität über die Zeit: Je nach aktuellem Erfahrungskontext können sich
subjektive Theorien ändern. Beispiel: Im Arzt-Patient-Gespräch hat der Pa-
tient die vom Arzt gegebenen Informationen, z. B. über ein bestimmtes Me-
dikament, verstanden; im häuslichen Kontext geraten die ärztlichen Emp-
fehlungen schnell in Vergessenheit, und die Medikamente landen schließlich
im Müll.

3. Mögliche Bedeutung von Affekten: Patientenvorstellungen über Gesundheit
und Krankheit sind häufig von Gefühlen durchsetzt. Im Falle starker Ängste
kann dies beim Patienten zur Wahrnehmungsabwehr von Informationen
führen.

4. Prozessualer Charakter: Patiententheorien spiegeln häufig adaptive Prozes-
se wider. So kann in einem gegebenen Augenblick die Aufnahmebereitschaft
 
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