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Strack, Friedrich [Hrsg.]; Becker-Cantarino, Barbara [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: 200 Jahre Heidelberger Romantik — Berlin, Heidelberg, 51.2007 [erschienen] 2008

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I: Romantische Erfahrung und poetische Innovation
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Tröger, Jörg: Heidelberg in Reiseführern und Reiseberichten um und nach 1800
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https://doi.org/10.11588/diglit.11459#0022

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Heidelberg in Reiseführern und Reiseberichten

um und nach 1800

JÖRG TRÖGER

Was wäre die Heidelberger Romantik ohne August von Kotzebue? Vielleicht
hätte sie nie, oder nicht so stattgefunden, wie wir sie kennen und feiern, es
hätte vielleicht auch keine Reiseberichte gegeben, denn ohne seine prominente
Fürsprache wäre 1806 die Ikone der Romantik, das Schloss - vielleicht bis auf
einige Grundmauern - verschwunden gewesen. Vier Jahre zuvor hatte sich Kot-
zebue zufällig in Heidelberg aufgehalten und beobachtet, wie man dabei war,
die Mauern Stein für Stein fortzuschaffen. Ein nicht näher identifizierbares Un-
ternehmen, der Volksmund nannte es „Die schwarze Bande"1, hatte mit einer
untergeordneten Behörde in Karlsruhe einen Kaufvertrag geschlossen. „Kot-
zebue erfuhr [...], daß bereits Anstalten getroffen seien, die ganze Schloßruine
abzutragen [...] konnte man doch eine große Summe Geldes dafür lösen",2
berichtet die Schriftstellerin und Journalistin Helmina von Chezy in ihren
Lebenserinnerungen, - und sie fährt fort, Kotzebue sei empört gewesen und
mit einem Protestschreiben in Karlsruhe vorstellig geworden. „Zugleich mit
der Sendung nach dem Markgrafen hatte Kotzebue in seiner [...] Zeitschrift
,Der Freimüthige' seine Stimme über diese Unthat erhoben [... ] Karl Friedrich
nahm Kenntnis vom Kaufcontract und ließ ihn [...] vernichten."3 Die Ruine
war in ihrem Grundbestand vorerst gerettet. Wenige Jahre später, 1810, kam
ein Freund der Chezy, der französische Graf Graimberg nach Heidelberg und
widmete Leben und Werk fortan der Schlossanlage. Durch Diebstahl, Übermut
und Vandalismus war sie immer noch gefährdet. Erst 1830 griffen die badischen
Behörden entschlossener durch.

Graimberg also, ausgerechnet einem Franzosen, galt die zerstörte Anlage
damals als Symbol für französische Ruchlosigkeit. Das war aber nur zum Teil
richtig, denn die nachhaltigsten Zerstörungen hatte 1764 ein Blitzeinschlag
angerichtet. Graimberg mühte sich nicht nur um den Erhalt der Bauten, so wie
er sie angetroffen hatte, sondern er zeichnete unermüdlich; Gesamtansichten
genauso wie jedes Detail, er ließ seine Zeichnungen in Kupfer stechen und

1 Benz 1961,337.

2 von Chezy 1858,45.

3 Ebd.
 
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