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Strack, Friedrich [Hrsg.]; Becker-Cantarino, Barbara [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: 200 Jahre Heidelberger Romantik — Berlin, Heidelberg, 51.2007 [erschienen] 2008

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I: Romantische Erfahrung und poetische Innovation
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Petersdorff, Dirk von: Korrektur der Autonomie-Ästhetik, Appell an das 'Leben'
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https://doi.org/10.11588/diglit.11459#0072

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Korrektur der Autonomie-Ästhetik,
Appell an das ,Leben'

Zur Transformation frühromantischer Konzepte
bei Joseph von Eichendorff

DIRK VON PETERSDORFF

Das 12. Kapitel des Romans Ahnung und Gegenwart von Joseph von Eichendorff
schildert einen Besuch des Protagonisten, des Grafen Friedrich, in einem Salon,
in dem ästhetische Normen der Romantik gelten. Es ist nicht möglich, diese
Romanpassage eindeutig auf ein historisches Vorbild zu beziehen. Im Hinter-
grund stehen wohl Erfahrungen, vor allem aber Beschreibungen von Salons in
Berlin und Wien. Unzweifelhaft aber bezieht sich dieses Kapitel auf Erlebnisse
Eichendorffs in seinen Heidelberger Jahren 1807/08. Denn mehrere Personen,
die hier auftreten, besitzen Züge von Bekannten und Freunden Eichendorffs
aus dieser Zeit. Dabei handelt es sich um Otto Heinrich Graf von Loeben (1786-
1825), Gerhard Friedrich Abraham Strauß (1786-1863) und Heinrich Wilhelm
Budde (1786-1860). Dies ist auch umgehend bemerkt worden. Loeben wendet
sich in einem Brief an Eichendorff und fordert ihn auf, zuzugeben, dass mit
einer Figur dieses Kapitels, die „der Schmachtende" genannt wird, er selbst
gemeint sei. Eichendorff antwortet darauf etwas gewunden - „wenn ich da-
bei bisweilen wirklich an Dich, wie Du damals schienst, dachte" - fügt dann
aber in Klammern das klare Eingeständnis hinzu: „verzeihe es mir, lieber guter
Freund! denn ich will es nicht leugnen".1 Ebenso erkennt Loeben, dass mit der
Figur des sogenannten „Dithyrambisten" Strauß gemeint ist, und auch das gibt
Eichendorff zu.2 Interessant ist allerdings eine Ergänzung, die er vornimmt:
Er habe bei der Konzeption dieses Kapitels ebenso oft sich selber gemeint wie
die Freunde, und er kann dies auch begründen. Denn die parodistisch ange-
legte Loeben-Figur rezitiert zwei Gedichte, und diese Gedichte stammen von
Eichendorff, sind in seiner Heidelberger Zeit entstanden.3 Somit kann dieser
Teil von Ahnung und Gegenwart als Auseinandersetzung mit einem eigenen
Lebens- und Werkabschnitt gelesen werden, darüber hinaus aber auch als Kri-

1 Eichendorff, HKA XII: 53.

2 Ebd.

3 Eichendorff, HKA III: 144t
 
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