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Strack, Friedrich [Hrsg.]; Becker-Cantarino, Barbara [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: 200 Jahre Heidelberger Romantik — Berlin, Heidelberg, 51.2007 [erschienen] 2008

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III: Ästhetische Positionen
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Pfaff, Peter: "Fromme Kunstmummerei"
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https://doi.org/10.11588/diglit.11459#0340

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„Fromme Kunstmummerei"

Goethes nüchterner Blick auf die Romantik

PETER PFAFF

Arthur Henkel erinnernd

I.

Seit dreißig Jahren nähert die Literarhistorie Goethe der Romantik an.1 Kaum
mehr interessiert der Ontologe der Gott-Natur, der spinozistische Ethiker, der
humanistische Anthropologe, eher der Spieler mit Zeichen, Worten, Bildern,
Mythen und Gattungen, der freie Geist, welcher fast schon „Transcendental-
Poesie" geschrieben habe. Indes, Goethe bestand allezeit auf dem Prius der
Natur und war der Lust am Subjekt und einer ,Fantasie' abgeneigt, die Welten
,setzt'.2 Gegen romantischen Enthusiasmus brachte er vor:

Das Höchste wäre, zu begreifen, daß alles Factische schon Theorie ist. Die
Bläue des Himmels offenbart uns das Grundgesetz der Chromatik; man
suche nur nichts hinter den Phänomenen, sie selbst sind die Lehre.3

Oder: die „Sinne trügen nicht, das Urtheil trügt".4 Grundsätze des Empiris-
mus - damals sagte man ,Realismus' - entzogen das unbekannte Jenseits dem
Zugriff des Verstandes und der spekulativen Vernunft. Wohl gibt es Absolutes,
und es ist zu spüren. Hundert Namen berufen es, ,Gott' ist der großartigste. So
konnte Goethe sagen - und solche Worte sind Legion -:

Die Natur verbirgt Gott.
Aber nicht jedem, [... ]5

Er meinte: Die Dinge leuchten „herrlich"6 und reizen, nach der übernatür-
lichen Ursache der Erscheinungen zu fragen und sie zu denken. Indessen
war ihm das ,Wesen' ein ,offenbares Geheimnis', das „in allen Sprachen" -
der theologischen, philosophischen, natur- und geisteswissenschaftlichen und

1 Etwa: Petersen 2000: 389ff.

2 Novalis 1977,2: 417.

3 Goethe 1993,1,13: 49.

4 Goethe 1993,1,13: 241.

5 Goethe 1993,1,13: 63.

6 Goethe i887ff., 1,1: 72.
 
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