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Heidelberger Zeitung — 1864 (Juli bis Dezember)

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Nr. 257-282 November
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https://doi.org/10.11588/diglit.2828#0427
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Wdelbkrger Ieilung.

N» 2L8. Mittwoch, 2. November


L8«L.

» Aus die „Heidelberger
Zeitung" kaun man sich
nvch sür die Monate
November und Derrmbcr mit 36 Kreuzern
abonniren bei allen Postanstalten, den Boten
und Trägern, sowie der Expedition (Schiffgasse
Nr. 4).

* Pvlitische lkmschau.

Vor dem Stadt- und KreiSgericht zu Magdc-
burg stand gestern Termin an in dem Proccsse
der vier Abgeordneien Zmmermann (Kreisge-
richtsdirector in Calbe), Köhler (Kreisgcrichts-
director in Genthi»), Boigtcl (Kreisgcrichtsrath
in Magdeburg) und Parisius (Kreisrichter in
Gardelcgeu) wider dcn Fiscus, die AuSzahlnng
den eiubehaltenen StellvertretungStosten betref-
send. Jn allcn dicsen Fällen wurde dcr Fis-
cus verurtheilt,

Zn Berlin wcrden in kommender Woche
Ministerconscils stattfinden, in welchcn über die
dem Landtage zu machenden Vorlagcn Bcra-
thungen abgehalten wcrden sollc». Dem Ver-
nehmc» nach würde die Militär-Rovelle, welche
ebcnfalls zur Berathung vorgelcgt werdcn svll,
irgcnd welche wescntlichc Slbändcrnngen nicht
haben. Auch jctzt wird dcr 8. Dccember als
der Tag deS ZusammentritlS der- Kammern
bezeichnet.

Jn Darmstadt trilt die Abgcordnetcnkammcr
am 7. Novembcr wieder zusammcn. Die Frage
wegen der Strasprocehordnung wird zuuächst
zur Entichcidung tommen.

Uebcr die bisherige militärische und diplo-
matische Lausbahn des ueuen Ministcrs deS
Auswärtigeu macht das „Vatcrland" folgende
Angaben: „Feldmarschalllicutenant Graf Alex.
v. Wensdorst-Pouillti (seinc Mutter und die
Mutter der Königin Victoria warrn Schwestern,
Töchtcr deS Herzogs von Sachsen - Koburg-
Saalfeld), Ritter dcs Maria-Thcresienordens
und Znhaber des 73. Jnf.-RegimentS rc, ge-
gcnwärtig in seinein 52. Zahrc stehcnd, trat
dereits in seincm 18. Jahre in die Armce,
dicnte zuerft bei der Jnfantcric, daun bei den
Uhlanen und Husaren. 1848 noch Major,
hatte er sich bereits 1849 im Felde zuin Oberst
ausgeschwungen nnd crrang sich in der Schlacht
bci Conwrn das Theresienkrenz. Zm folgcnden
Jahre ward er Generalmajor, erhielt cinc diplo-
malische Mijsion aus Anlast dcS schleSwig-
holsteinischen KriegeS, ward spätcr Gesandtcr
in Petersburg, dann commandirender Gencral
im Banat und wurde in Folge des Octobcr-
diploms zum kais. Commissär für die serbischc

Wohdwodschaft ernannt. Seit 1882 bcgleitete
er die Würde eines Statthalters nnd comman-
direnden Generals in Galizien."

Der österreichische Generalmajor Schulz ist
zum Commandanten von Rastatt eruannt
worden.

Nach einer Wiener Corresp. der Karlsr. Z.
hat es sich bci dcr Entlassung des Grasen Rcch-
berg, ob auch die officiöse Parole noch fortge-
setzt „keine Systemsändcrung" lautcn möge,
ganz eillfach um ein cntschicdeneS Einlenken,
und zwar nach allen Richtungen hin in die
Bahn des FortschrittS gehandelt.

Nach der „Nordd. AKgem. Ztg." benutzte
Fürst Gortschakosf die knrzc Zcit seines Auf-
cnthaltS in Berlin zu mannigfachcn Bcspre-
chungen über schwebende politische Fragen, an
deren ersprießlichen Lösung Rußland wie Preu-
ßen gelegen sein muß.

Jn Folge der Bancrubesreinng in Rußland
wurde die Dienstzeit im russischen Heerc auf
12 Zahre (statt der frühern 20, bez. 15) her-
abgesctzt.

Die „France" meint, die gesammte katholische
Bcvölkerung Frankreichs wollc Erhaltung des
PapstthumS; darum sei cs unmöglich, daß der
Kaiscr auf die den Ztaliencrn zusagendc Aus-
legung der Uebereinkunft, Rom zur Hauptstadt
zu machen, jemalS eingehe.

I»r Schleswig-Holstoiu'schen
Tache.

Kopenhagen, 31. Oktbr. „Flyvcpostcn"
vernimmt, daß die in den abgctretenenHerzog-
thümern verabschiedctcn Bcamtcn von den Her-
zogthümern selbst pensionirt werdcn, wozu un-
gesähr 500,000 Thaler erforderlich seicn. Däne-
mark wcrdc die aufgkbrachten Schifsc auSlicfcrn,
nicht aber den dcutschen Kauftcntcn dcn An-
fangs gcfordertcn Ersatz sür Blokadrichadcn
zahlen. Ein vorläufiges Schreiben dcs Finanz-
ministerS an die Reichsrathsmitglieder bezeich-
net den 5. Nov. als Termin dcS Zusammen-
tritts dcS RcichSrathes.

D e ri t s ch l a ir d.

Karlsruhe, 31. Oct. Gestern Vormit-
tags 10 Uhr 5 Min. begaben Sich Se. Kgl.
Hoheit der Großherzog. sowie Se. Großh. Hoh.
der Prinz Wilhelm nach Bretten, wohnten da-
selbst der feierlichen Enthüllung des von dem
Bildhauer Professor Drake verfcrtigten Melanch-
thon-Denkmals an, nnd kehrten gegen, 5 Uhr
Nachmittags in die Residenz znrück. Jn der

Begleitung des Großherzogs befanden sich die
Herren StaatsrLthe Nüßlin, Vogelmann und
Lamey.

Gegen 10 Uhr Abends trafen Jhre Königl.
Hoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin
von Preußen mit dem jüngstgeborenen Prinzen
L>igiSmund dahier ein, übernachteten im großh.
Schlosse, und setztcn heute Vormittag die Reise
nach der Schweiz weiter fort.

Heute Nachmittag 2 Uhr reiste Se. Königl.
Hoheit der Großherzog nach Kehl, um Seiue
Majestät den Kaiser von Rußland, Höchstwel-
cher, von Nizza kommend, heute dort eintraf,
zu begrüßen. Dje höchsten Herrschaften beab-
sichtigen in Kehl zu diniren; Seine Majestät
wird hierauf ungesäumt die Reise nach Stutt-
gart sortsetzen. Dcr Großherzog gedenkt den
Kaiser bis nach Karlsruhe zu begleitcn, wo
Höchstderselbe qegen 8 Uhr Abends wieder ein-
treffen wird. (K. Z.)

-s- Heidelberg, 29. October. Die
Nachricht, daß die Unterzeichnung des Frie-
dens in Wien erfolgt sei, erwartet man mit
jedem Tage. (Sic ist mittlerweile erfolgt.)
Angenehm und von einiger Bedeutung wäre
es gewesen, wenn am 18. October, an diesem
Chrentage der Deutschen, diese Unterzeichnung
hätte stattfiuden können. Das Werk der Be-
freiung der deutschen Herzogthümer von DLne-
mark i.st damit sür jetzt vollendet und die Re-
gelung der innern ftaatSrechtlichen Verhältnisse
derselben kommt an die Reihe. Die Verwal-
tung geht vorerst an Ocfterreich und Preußen
über und es soll aldann zur Entscheidung der
Erbfolgefrage geschrilten werden. Hierzu
soll eiue Versammlung von Rcchtögelehrteu alS
Fachmännern durch die beiden Vormächte im
Einverständnisse mit dem deutschen Bunde be-
rufcn und der rechtliche Spruch derselben von
Preußen abgewartet werden, um dann unter
Erwägung der Jnteressen der Gesammlheit und
Prcußens dcn Endentsckluß zu fassen. DarauS
erhcllt, daß die Herren Diplomaten es noch weit
besser verstehen als die Seiler, ein Gejchäjt in
dic Länge zu ziehcn. Unsererseits sind wir
seither allen directen Annectirungsgelüsten in
Bezug aus Schleswig-Holstein entjchieden ent-
gegen getreten, schon deshatb, weil wir sie der-
malen sür unaussührbar und sehr gcfährlich
hallen. Dagegen aber haben wir auch immcr
daran festgehaltcn, daß, ganz ahgcsehen von den
KriegSkosten, gewisse Schutzrechte in Schles-
wig-Holstein für Prcußen erworben wcrden
können und sollten. Es freut unö, zu sehen,
wie überall die umsichtigsten Freunde der Her-
zogtümer in gleichcr Weise urtheilen. Mit Rccht

Der Vregy'sche Mord in Sertin.

Ein trauriges Bild von Blut, Schmutz und Ge-
meinheit bieten die öffentlichen Gericktsverhand-
lungen gegen Louis Grotbe und Genossen, die
Mörder des Professors und französischen Spracb-
lrhrers Gregy. Was man davon sieht und darübcr
hört, kann nur mit Ekel erfüllen. Da ist keine
Spur von menschlicher Regung, sondern nur sitt-
liche Verwilderung, moraltsche Verkommenheit und
innere Fäulniß. Kein Lichtblick fällt auf dies düstere
Gemälde aus der Berliner Verbrecherwelt. Der
Angeklagte Louis Grothe ist der TypuS jener ge-
fährlichcn Menschenklaffe, welche unter dcm Namen
der „Louts" in Berlin nur zu bekannt ist und die
öffentliche Sicherheit tn cinem hohen Grade ge-
fährdet. Seine Haltung ist ruhig und gemessen; er
drückt fich leicht und gewandt auS unb zeigt in
seiner Sprache und seinem Benehmen dcn Firniß
einer oberflächlichcn Bildung. Den Gegensatz zu
ihm bildet seine Mutter, die Wittwe Quincke, bei
deren Anblick man unwillkürlich an die Nachbarin
tn Göthe's Faust erinnert wird: „Das ist ein Weib

bald frech, je nach den Aussagen der wider ste auf-
gerufenen Zcugen. Zuweilen scheint sie ergriffen
von ihrer traurigen Lage und bricht darüber in
lautes Weinen ohne Thränen aus. Jhr ganzes
Leben ist der ekelhaftesten Prostitution in den ver-
schiedensten Graden gewidmet gewesen. Zwischen
dieser Mutter und dem Sohne steht die Geliebte
des Letztcren, Rosalie Fischcr, eine noch jugend-
liche Erscheinung von untcrsetzter Figur. Das Ge-
sickt ist gewöhnlich, aber nicht unschön; die Haarc
dunkelblond, die auSdruckslosen Augen blaugrau,
Kinn und Wangen voll und rund. Bcim Nicder-
! setzcn auf die Anklagebank wetnte sie heftig und
brdcckte ihr Gesicht mit cinem weißen Tasckentuch.
Später im Vcrlaufe der Verhandlungen ljeß sie
jedoch ihre Augen frei im Saale mit einer gewisscn
Neu^ierde herumschweifen; auch sie weiß sick mit
einem Anstrich von Bilbung auSzudrückcn. Vom
! frühen Morgen bis zum späten Abend ist das
„LagerhauS", wo dic Verhandlungcn stattfindcn,

richtssaal sclbst biS auf den letzten Platz gefüllt,

heiten, auffallend vtele elegante Damen befinden,
obgleich die Auslaffungen der Angeklagten und
Zeugen nichts weniger alö für zarte Damenohren
passen. Das Vcrhör selbst bietet bis jetzt wenig
intercssante Ereignisse, von dramatiscken Momenten
ist keine Rede, ebensowenig wie von überraschcnden
Zwischenfällen. Die Angrklagtrn kämpfen nur um
das nackte Leben und suchen den Verdacht des vor-
bedachten Mordes von sich abzuwenden, wogegen
sie das Verbrechen deS Tobtschlages einräumen, sich
gegenseitig bcschuldigend. — Jn der Sitzung vom
25. October plaidirten Staatsanwalt und Verthei-
diger; der Antrag des Ersteren geht dahin: „Alle
drei Angeklagten für schuldig zu erachten, den
Professor Gregy gcmeinschastlich ermordet zu
haben." Da, wie gesagt, die Verhandlungen im
Einzelnen nickt Interesse genug bieten, um mit
dem Sckmutzgewebe den Naum dieser Blätter zu
füllen, werden wir uns auf kurzc Berickte und die
demnächstigr Mitthcilung deS ResultateS brschränken.
 
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