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Heidelberger Zeitung — 1864 (Juli bis Dezember)

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Nr. 283-308 December
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Vtidklberger Ztiluilg.

M: 301. ''"'^.L°rZ.S7«°^ Doimerstag. 22. December 1804.

SS Die Ministerkrifis in Bayern

ist nach langer SchiPb! durch die Eruennung
des Hrn. von der Psordten znm Ministcr deS
Aenßern endlich zum Abschlusse gekommen. Es
ist möglich. daß die ziemlich ungünftige Auf-
nahme dieses Candidaten von Seiten der libe-
ralen Partet das Cabinct zn dcr langen Zöge-
rnug in dieser Augclegenheit bestimmi hat. Der
Moment für seine Wiederernennung zum Mi-
nister ist auch in der That nicht bejonderS gut
gewählt. Seit dcm Tode deS Königs Max II.
ist bekanntlich viel Geprängc mit dem Aus-
spruche gemacht worden: „Zch will Friedcn
haben mit meinem Bolke", und Jedermann er-
innerl flch dabei, daß diese Acußcrung dic Folge
und das Ende eineS hartnäckigen KampfeS war,
den vornehmlich Pfordten gegen den Landtag
führte. Niemand kann in Äbredc stellen, daß
unler den in Bayern nicht bejonderS zahlreichen
staalsmännischen Kräften v. d. Pfordten einc
der bedeutendsten ist; aber selbst scine Leistun-
gcn in der schleSwig-holsteinischen Angelegen-
heit und seine Berichterstattuug am BundeS-
tage in dicser Sache konnten bis jetzl in Bayern
selbst die Erinnerung an jene Zeiten der Ver-
sassungSkämpfe nicht ganz verwischen. Vicl ge-
schadet hat es auch Pfordten, daß die ullra-
niontanen Blätter für ihn Pnrtei genommen
haben. Dieser Partei ist jetzt vor Allem darum
zu thun, den allgewvhnten Anschluß Bayerns
an Oefterreich aufrecht zu erhalten, nnd da ist
ihr dann auch der protestantischc Pfordten,
dcfsen Hinnelgung zu Ocsterreich bekannt ist,
wieder rccht. Eine engere Vcrbludnng mit der
österrcichischcn Politik stndct in Baycrn aber
jetzt genug Freunde. Die Clericale», welche
dieseldc wünschcn, sind hiebei kaum in Anschlag
zu bringen; es sind ihrcr zu Wenige. Dic
meisten Freundc, zwar keine aufrichtige, aber
nothgedrnngene, hat Oestcrrcich iu den Be-
sitzern östcrreichischer Staatspapierc.

Zwei Dritttheile.dcr östcrreichischen StaatS-
schuld befinden sich im AuSlande, nnd Bayern
ist dabei wohl dcr am mcisten bcthciligte Staat.
Dcr geringc ZinSfuß der bayerischen Strats-
papiere, 3'/,—4 Proc. hat einc große Anzahl
dcr Begüterten vcranlaßt, ihr Vermögen in
äprocentigen östcrreichijchen Papicren anzulcgen.
AuS Oesterreich verlautcn aber zur Zcit wieder
zicmlich klägliche Bcrichtc über cine bevorstehcnde
Kinanzkrisis. Man hat dort ncuerdings Oor-
geschlagen, die Staatspapiere, die sich doch mei-
stens im AuSlande besändeu und daS baare
Geld in die Fremdc zvgcn, mit 50 Procent zu
besteuern, d. h. mit andern Worrcn, die Ver-

zinsung auf die Hälflc herabzusetzen. Da mci-
»en nun Viele, wenn sich Baycrn anheischig
mache, mit Oesterreich durch Dick und Dünn
zu gehen, so könne einer solchen stnanziellen
Katastrophe-vorgcbcugt werdcn, und dcßhald
wünscheu bieje nur einen vsterreichisch gesinnten
Minister. Allein nntcr den jetzt obwaltenden
Verhältnisscn wäre eS gewiß nur bedenklich,
wenn stch Bayern dcr öslerrcichischen, vieljach
so empfindlich bedrohten, Politik anschließcn
wollte: eS känn vorderhano Nichts Besseres
thun, als jich auf stch selbst beschränken und
warten, was die Znkunft bringt.

Die Regiernngen der beutjchen Mittel- und
Kleinstaaten verlangen jetzt theilweise wieder
bic vielgejchmähte Trias, welche anch immer
PsordtcnS Vorschlag war. Allein durch eine
TriaS kommen wir in der Einigung Deutsch-
lands nicht wciter, als durch einen DualismuS.
Wer ist im Stande, alle Mittel - und Klein-
staaten snr eine Trias unter einen Hut zu
bringen? Wcr will diese vielköpftge Trias bei
Conflicte» alS compacte 'Masfe gegen daS starke
Preußen und Oesterreich zusammenhalte» ?
Preußen und Oesterreich haben jich schon —
wie wir vor Kurzem gcsehen habcn — über
den deutschen Bnnd hinweggejetzt, haben Bun-
deskriege auf eigene Kaust gesüyrt, und ließen
bie bestrittenen Provinzen nicht an den Bund,
sonderu an sich selbft abtreten, und Preußen
gar macht Miene, sie völlig sür sich zu be-
halten. Sic würden stch jichcr um die Trias
so wenig kümmern, als um den dculschsn
Bunb I ES ist dehhald auch nicht anzunrymen,
daß Psorolens Bemnhungen in dieser Nichtung
— im Fallc cr ats jctziger baycrischcr Minister-
prästdent scine srüheren Tendenzen weitcr ver-
solgen sollte — von irgend eincm Erfolge be-
gleitet scin werden.

* Politische Umschau.

Die nun vollständig bekannten Urwahlen zur
2. naffanischen Kammer haben dcr tiberale»
Partei dle entschiedene Majorllät gestchert.
Sämmtliche Milglieder deS zu Anfang lliovem-
ber aufgelösten LandtagS werdcn auf ihren Sitzen
wieder erscheinen.

Ueber die Adreßdebatte des öst-rr. Abgeord-
netenhauseS spricht stch das Organ Deak's,
„Pestl Naplo", am Schlusse eineS Artikels in
folgender Weise auS: „Mit inniger Ancrten-
nung nehmen die Ungarn die Manisestalionen
dcr brüderl. Liebe auf, und im Jntcresse der
Mdliarchie halten ste die Modification, welche
die össcntlichc Mcinnng jcnjeits der Leitha be-

züglich der unzarischen Frage durchmachte, für
eine jehr erfreuliche Erscheinnng; aber die Stel-
lung der Hauptsragc "selbst wnrdc hierdurch
nicht verändert nnd kann sich so lange nichl
Lndern, biS nicht die Lhätigkeit jcner Factorcn
beginnl, welche zur Lösnng dcr stLLtsrechtlicheii
Wirren einzig und allcin berusen und compc-
tent sind, d. h. so lange nicht die Znitialibc
der Krone die ungarijche Nalion zur gesetz-
mäßigen Milwlrkung anffordert."

Die Verhandlungen mit dem Abgeordnelen,
Oderstaatsanwalt Dr. Waser, wegcn der Ueber-
nahmc des östcrr. ZustizminifteriumS an die >2telle
deS Herrn Dr. Hcin häben sich wieder zcr-
schlagcn.. OberstaatSanwalt v. Waser svll an
seinc Ernennung zum Zustizminister die Be-
dingnng gelnüpst haben, die Regierung mnsse die
Gründe des BclagerungSznstandeS dem Reichs-
rathe vorlegen.

Die Verschwörung gegen das Lcben deS
PapsteS ist zu einem Ttngbilde der päpstlichen
Polizoi zusammengeschrumpft. Dic drei salschen
Schnster, wclche als die Verschworenen ver-
hastet wurdeu, sind von der sranzösischen Gcn-
darmerie als ein sauberes Kleeblalt, das znr
Blüthezeit deS RäuberhandwerkxS gar osl von
ncapolitanischer Seite in's Nömische Zuflucht
suchte, erkannt worden. Dre Reorganistrnng
der päpstlichcu Armee wird von Rom aus alS
Fabel bezeichnet; vorläufig bestreitet das fran-
zösijche KriegSbudgct noch die Kosten fnr die
Sicherhcit der ewigen Stadt.

Die ltalienijchen Blätter veröffentlichen ein
vom Minister des Jnnern an die Präsekten ge
richtetes Rundschreiben, veranlaßt dnrch dic
Versuche, welche gegcn Vcnctien gerichtet wur-
den. Es heißt darin schließlich: Jn der Ab-
sicht, „diescs Treiben zu »erhindern, und dem
Lande neues Unheil zu ersparen," erklärt das
Ministcrium, daß cs forlwährend entschlosse»
ist, sich derartigen Unternchmnngen zu widcr-
sctzen, und cS ladet die Präfekten ein, dic
streiigste Aufsicht auf die AclionSpartei und ihre
Agenlen zu üben, nnd die gcfährlichst-n Emi-
granten von der Grenze zu cnifernen.

Zn Warschau haben die kriegSrcchtlichen
Hinrichtungen ihr Ende noch immer nicht er^
reicht. Jn jüngster Zeit stnd wieder mehrere
Verurtheille gehenkt worden.

Nach d-r „Opinion nationale" bestehl, zu-
verlässigen Angaben aus Washington zufolge,
die L-Iärke dcr Südstaatcn auS 158,000 Mann
tnchtigcr Truppen.

^ Der Finanzmimster zu Washington, Hr.
Fcsscuden, schätzt in einem sür den Congreß
bestimmten Bericht die öffentliche Schuld im

Bvrträge im Museum. (Corr-lp.)
(S»lui.)

Jm Sommer drS ZahrrS 64 irsolgte uiitrr Nrro
dic große Chrtst-Nvcrfolguug. Dic Judcn sahcn
dariu das crstc Signal drr großen Katastrophc,
wilche dic dcm Lrsch-incn d,s Antichrist solgcudc
Wiederkunft deS Hcrrn herbcisühren soUtc.

Wenig Tagc nach dcm Setbstmordc Ncrv'S er.
schicn jcneS gchiimnißvoUc B„ch, welchcs siit saft
18 Jahrhundcrtin dii Fnndgrubr dis-mannichsai-
tlgstin Ab-rglaubiuS gibliibi» ist. dic „Offinba-
rung JohanniS", das chrtstlichi Gigenmanifrst gcgcn

D-r Glaube an dcn Sicg d-S ChristenthnmS blteb
im Rccht, aber nlcht Zcrusalem, wle man hofftc,
wurde durch thn verkiärt, sondcrn Rom. Jcrusatcm
ficl und Rom bttcb.

Drr Fall Jerusalems und der Sturz allcr gcrade
an dicsr Stadt giknvpftcn Träumc und Hvffnungcn s
war dic crste wcttgischichtlichc Ersahcung des ühri- ,
struthnmS, und fii wußt! g-macht wirdcn, wcnn

. baS Chrtficnthum znr römischin StaatSrcliglvn ge-
macht werden sollte.

Seil dem Fall des JudenthumS war das nnbe-

nur ZccusalcmS Prärogative bistzcr noch vcrdunkelt
haltc, sür immcr cntschirdin; Rom wurdc dic Zu-
fiucht dcr Bcdrängtcii, die fich in großen Massen
dorthl» rcttetrn, cS wurdc xin zweitc« Zcrusalem
— auch dic Geschlchtc dcr Rkligion solgt der Spnr,
die von Oficn nach Westen wiist. Untir din Audin-
chriftcn, dte sich im zwtitin Jahrhundert dir auf-
gehcnden Sonne des römischen MittclpunkteS zu-
wcndin, sind H-gifippu«, sir Märtyrcr Justin und
dcr sagcuhaftc Stistcr deS Ebionitismus dic nam-
haftiftcn.

DaS römischc Zudcnchiistcnthum hat mit dcc Zeit
gcschmcidigerc und cntwtcklungsfähigcrc Formcn an-
gcnouiincn; ,S hat bald jcne Btrtnosttät in Lvn-
! crsfioncn sich angceignet, dtc stkts zur rcchtcn Zcit
I -iutrctin und von der Hauptsachc nic das Mindcfic
preisgcbcn; etncn Punkt abcr hat cs mit dcr
s größtcn Zähigkcit fe-gchaitcn, und hici trifft dir
. römifch, Znstinkt dcS BcrnsS zur Welthcrrschast
wundcrbar mit dcn hicrarchtschin D-griffin d-S

Zudenthums zusammcn, dic« ift dic ponarchischc
Kirchcnvcrfassung.

DcrBtschof erscheint in de» „ülcmentinen" als
Statthaltcr Lhrtsti, cr sordcrt unbedingtcn
Gchvrsam und rcgiert mit unumschränktcr Gcwalt,
er ist Nachkomme vcr Kiuder Lcvl, damtt ist der
Mosaismus auf latcinischen Boden vcrpflanzt; in
der theokratischen Regierungsform dcS JudcnthiimS
crkanntc man die Garanticcn cincr wcltübcrwtn-
dcndcn Macht. Dt- Clementinen find cin rcligiöscr
Roman, dir fich ans dcm FabrlkrLnz d-S h-iligin
Clcmcns im crstcn Zahrhundert nach Chr. hcraus-
giftaltct hat und zuglcich cine dcr knhnstcn und
tntrrissauteftcn Partcischristen aller Ziitcn.

Untcr dem Namen „Wiedcrcrkinnungcn" hat daS
Buch ciu, ungchcurc Virbrcttuug gcsundcn; daS
Lhristenthum erschcint hicr als dic AücS vereini-
ginde religiösc Macht, als dtc Rcllglon der Rcli-

lichc Rom daffclbe, was RomuluS und RcmuS für
daS weltliche. RichlS andcrcS hat Rom so schr znm
gedlctendcn Mittclpunkte crhobcn, ais drr Um-
stand, daß hicr die beidcn großcn Mächtc dc«
Judin- und HeldeuchiistcnthnmS zucrst in cin gc-
 
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